Nutzkälber von milchbetonten Rassen - fit für die Vermarktung
Stand 05.03.2024
- Dirk Albers, Landwirtschaftskammer Niedersachsen
- Dr. Ariane Boldt, Landesforschungsanstalt für Landwirtschaft und Fischerei
- Dr. Bernd Fischer, LLG Sachsen-Anhalt
- Johanna Großklos-Bumbalo, AgriConcept Beratungsgesellschaft mbH
- Anja Heitmann, AgriConcept Beratungsgesellschaft mbH
- Dr. Hans-Joachim Herrmann, Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen
- Dr. Dieter Krogmeier, Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft
- Konstanze Rohwer, Impulsbetrieb Tierwohl
- Nicola Sturm, LLG Sachsen-Anhalt
- Dr. Anna Catrin Anker, Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen
Die Vermarktung von Nutzkälbern aus milchviehbetonten Rassen kann eine Herausforderung sein, da diese Rassen in erster Linie für ihre Milchproduktion und nicht für Ihre Fleischqualität bekannt sind. Trotzdem gibt es verschiedene Strategien, um Kälber fit für die Vermarktung zu machen.
Ziel des Milchviehbetriebes ist die Bereitstellung von einheitlichen Partien altersgerecht entwickelter und gesundheitlich stabiler Kälber ab einem Alter von 28 Tagen.
Der Wechsel des Betriebes stellt für die Kälber unbestreitbar eine Belastung dar. Um den Stress der Umstellung zu minimieren, ist es wichtig, sich die relevanten Risiken beim Übergang vom Herkunftsbetrieb (über den Händler) zum Mastbetrieb vor Augen zu führen. Entsprechende Maßnahmen sollten mit dem Mastbetrieb/Händler zum Beispiel im Rahmen eines Vermarktungsstandards festgelegt werden.
Für Betriebe mit geringen Kälberzahlen ist eine gemeinsame Vermarktung/Kooperation zu empfehlen.
In einem Vermarktungsstandard könnten folgende, für den Herkunfts- wie den Mastbetrieb relevante Punkte festgehalten werden:
- Mindestgewicht für männliche Kälber mit 28 Tagen:
- für milchbetonte Rassen (Holstein/Braunvieh) > 60 kg
- für Kreuzungskälber > 70 kg (ggf. in Abhängigkeit von der Vaterrasse auch mehr)
- guter, stabiler Gesundheitszustand ohne anatomische Mängel
- keine Anzeichen von Endo- und Ektoparasiten (Kokzidien, Haarlinge, etc.)
- frei von Nabelentzündungen
- Informationen zum Tränke- und Futterregime
- Absprache zur Enthornung (diese sollte, wenn erforderlich, mit 28 Tagen schon erfolgt sein)
- Absprachen zu Art und Vergütung von Impfungen
- Nachweis über Behandlungen z. B. mit Antibiotika
- für Kreuzungskälber: Anpaarung der Vaterrassen in Absprache mit Mastbetrieb
Merkmal | Überdurchschnittlich | Durchschnittlich | Unterdurchschnittlich | |
Lebendmasse (kg)
| Milchbetonte Rassen | > 65 | ≥ 55 - 65 | < 55 |
Mastkreuzungen | > 75 | ≥ 65 - 75 | < 65 | |
Gesundheitszustand | ohne anatomische Mängel | geringe anatomische Mängel | ||
frei von entzündlichen Erkrankungen oder Fieber | ||||
Bemuskelung der Lende und Behosung | deutlich erkennbare konvexe Ausprägung | weder konvexe noch konave Ausprägung | leicht konkave Ausprägung |
Um das gesetzte Vermarktungsziel zu erreichen, gibt es in der Kälberaufzucht verschiedene Bausteine, die ineinandergreifen. Ähnlich wie bei einem Puzzle kann das Ziel nur errreicht werden, wenn alle Einzelteile sorgfältig berücksichtigt werden. Es beginnt mit einer guten Geburtsüberwachung inkl. Erstversorgung und einer ausreichend hohen und schnellen Kolostrum-Versorgung. Von der Geburt bis zum Verkauf ist gerade bei Kälbern immer ein hoher Hygienestandard in der Haltung sowie in der Fütterung einzuhalten. Um hohe tägliche Zunahmen mit den angestrebten einheitlichen Verkaufsgewichten zu erreichen, muss das Kalb bedarfsgerecht mit Milch sowie Festfutter versorgt werden.
Unter der folgenden Verlinkungen finden Sie wertvolle Informationen zu den einzelnen Puzzleteilen:
Tränke: Wie und wieviel sollte vertränkt werden?
Ein vitales Kalb benötigt genügend Nährstoffe für die Entwicklung. Ohne ausreichend Milchaufnahme ist das Kalb anfälliger für Krankheiten und es kann bis zur Vermarktung nicht ausreichend Gewicht zunehmen.
ad-libitum-Fütterung
Die Kälber dürfen jederzeit so viel Milch aufnehmen, wie sie möchten. Die ad-libitum Tränke bietet die Chance, das Wachstumspotential der Kälber voll auszuschöpfen. Richtig gemanagt, sind hohe Zuwächse und vitale Kälber zu erwarten.
Allerdings erfordert die ad-libitum-Tränke vom Tierhalter eine konsequente (Tier-)Kontrolle und Hygiene und ist daher nur zu empfehlen, wenn ausreichend geschulte und zuverlässige Tierbetreuer verfügbar sind, auch bei Arbeitsspitzen in der Außenwirtschaft.
rationierte Kälberfütterung
Die Kälber bekommen zwei (besser drei) Mahlzeiten am Tag mit einer definierten Milchmenge. Vorteile sind das geringere Hygienerisiko, da die Tränke direkt aufgenommen wird, sowie der geringere Verbrauch von Milch bzw. Milchaustauscher. Die Tränkehygiene wird nach der Milchaufnahme durch eine geringe Wasserzugabe (100-200 ml) in den Tränkeimer zur Selbstreinigung unterstützt.
Um die oben genannten Zuwächse mit einem Vermarktungsgewicht von > 60 kg zu erreichen, ist die Empfehlung:
- 2 x 5 l Vollmilch bei reinrassigen Kälbern milchbetonter Rassen
- 2 x 6 l Vollmilch bei Kreuzungskälbern (höheres Wachstumspotential)
Es kann auch Milchaustauscher mit einer hohen Nährstoffverfügbarkeit verwendet werden. Die Menge ist entsprechend der Vorgaben des Herstellers dem Niveau der Vollmilchtränke anzupassen.
Aspekte einer intensive Kälberfütterung
Intensiv aufgezogene Kälber werden mit einer signifikant besseren Körperkondition (BCS) abgesetzt als restriktiv aufgezogene Tiere. Die Erhöhung des Tränkeanrechts auf mehr als 8 l pro Tag führte in Untersuchungen von Schuldt und Dinse (2020) zu einem signifikanten Anstieg der Kondition und der Verbesserung des Gesundheitsstatus der Kälber.1
Hinweis: bei diesen Ergebnissen wurden weibliche Kälber bis zur Geschlechtsreife ohne Betriebswechsel untersucht. Nach Meinung der Arbeitsgruppe sind diese Ergebnisse gut auf männliche Kälber zu übertragen.
Wasser- und Festfutterversorgung
TierSchNutztV
Wer Kälber hält, hat, (...) sicherzustellen, dass
(...)
4. jedes über zwei Wochen alte Kalb jederzeit Zugang zu Wasser in ausreichender Menge und Qualität hat;
5. jedes Kalb täglich mindestens zweimal gefüttert wird, dabei ist dafür Sorge zu tragen, dass dem Saugbedürfnis der Kälber ausreichend Rechnung getragen wird;
6. Kälbern spätestens vom achten Lebenstag an Raufutter oder sonstiges rohfaserreiches strukturiertes Futter zur freien Aufnahme angeboten wird;
(...)
Wasserversorgung
In der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung wird ab einem Alter von zwei Wochen eine ausreichende Wasserversorgung verlangt. Aber auch schon jüngere Kälbern sollten unabhängig vom Milchtränkeverfahren jederzeit Zugang zu Wasser haben.
Festfutterversorgung
Analog zu einer ausreichenden Versorgung mit Milch muss den Kälbern strukturiertes Futter angeboten werden. Laut der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung sollte dies ab dem achten Lebenstag angeboten werden. In vielen Betrieben wird Trocken-TMR gefüttert, die gut geeignet ist. Eine Absprache mit dem Zielbetrieb hinsichtlich der Art der Festfuttergabe erleichtert dem Kalb die Umstellung.
Klasse statt Masse!
Weitere Maßnahmen, um die Wertschöpfung der Kälberaufzucht zu erhöhen:
- Durch eine gezielte Selektion werden nur die besten Kühe reinrassig bevorzugt mit weiblichem (gesextem) Sperma besamt. Züchterisch weniger wertvolle Milchkühe können mit Fleischrassen besamt werden, um frohwüchsige Kreuzungskälber zu erzeugen.
- Die Anzahl der zu betreuenden und zu vermarktenden Kälber kann mithilfe einer verlängerten Zwischenkalbezeit reduziert werden.
Welche Maßnahme oder Maßnahmenkombination ökonomisch am sinnvollsten ist, ist von vielen betriebsindividuellen Faktoren abhängig.
Weitere Informationen
Weitere wertvolle Informationen zur Aufzucht und Vermarktung finden Sie zum auf den Webseiten der Kälberinitiative Niedersachsen sowie bei KiWi RLP.
Literatur
- Schuldt, A. ; Dinse, R. (2020). Aufzucht weiblicher Kälber und Jungrinder in landwirtschaftlichen Unternehmen; Teil I: Konditionsbewertung als Kontrollinstrument für Wachstum und Entwicklung sowie Einfluss der Körperkondition auf Gesundheit und Leistungen.]. Neubrandenburg: Hochschule Neubrandenburg, Rektor (Schriftenreihe der Hochschule Neubrandenburg: Reihe I, Fachbereich Agrarwirtschaft und Lebensmittelwissenschaften; Bd. 9.) ISBN 978-3-941968-79-0