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  • Dr. Alexandra Koch, Tiergesundheitsdienst Sachsen-Anhalt
  • Dr. Christian Koch, Lehr- und Versuchsanstalt für Viehhaltung Hofgut Neumühle
  • Dr. Ingrid Lorenz, Tiergesundheitsdienst Bayern
  • Prof. Dr. Anke Schuldt, Hochschule Neubrandenburg
  • Julia Maischak-Dyck, Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen
  • Caroline Leubner, Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen
  • Lukas Trzebiatowski, Fachbereich Veterinärmedizin der JLU Gießen
  • Lydia Stahl, Fachbereich Veterinärmedizin der JLU Gießen
  • Stephanie Ped, TH Bingen
  • Rebecca Franz-Wippermann, FiBL Deutschland e.V.
  • Marc-André Kruse-Friedrich, DLG e.V.


Einleitung

Eine erfolgreiche Aufzucht von gesunden Kälbern bildet die Grundlage für eine nachhaltige Milchkuhhaltung. Dabei nimmt die Erstversorgung der neugeborenen Kälber einen besonderen Stellenwert ein. Das Kalb kommt ohne spezifische Immunabwehr auf die Welt, weil die mütterlichen Antikörper nicht durch die Plazenta ins Kalb gelangen. Immunglobuline aus dem Kolostrum müssen also nach der Geburt vom Kalb über den Magen-Darm-Trakt aufgenommen und in den Blutkreislauf weitergeleitet werden. Aus diesem Grund hat die passive Immunisierung des Kalbes durch die Gabe von Kolostralmilch (Biestmilch) einen entscheidenden Einfluss auf den Gesundheitszustand der Kälber. Ein gutes Kolostrummanagement stellt also einen der Hauptfaktoren für eine gute Gesundheit und eine niedrige Sterblichkeit der Kälber in ihren ersten Lebenswochen dar.

Die Bedeutung einer frühzeitigen Versorgung mit Kolostralmilch zum Zweck der passiven Immunisierung ist im Bewusstsein der breiten landwirtschaftlichen Praxis verankert. Dennoch ist die Erstversorgung der Kälber in vielen Betrieben nach wie vor ungenügend, was sich u. a. in hohen Krankheits- und Sterblichkeitsraten der Kälber in den ersten Lebenswochen niederschlägt.

Dies wirft die Frage auf, welche Faktoren die Umsetzung des vorhandenen Wissens behindern. Klare Forderungen zur Kolostrumversorgung der Kälber und darauf abgestimmte Fachinformationen sollen bei der Verbesserung der Kälbergesundheit in der landwirtschaftlichen Praxis helfen.

Was ist Kolostrum / Biestmilch?

Als Kolostrum oder Biestmilch wird ausschließlich das Erstgemelk einer Kuh nach der Kalbung bezeichnet. Kolostrum weist insbesondere einen deutlich erhöhten Anteil an Immunglobulin G (IgG) auf. Bei ausreichender und rechtzeitiger Aufnahme dient Kolostrum dem neugeborenen Kalb als passiver Immunschutz innerhalb der ersten Wochen nach der Geburt. Neben der stark erhöhten IgG- und Gesamtproteinkonzentration enthält das Kolostrum weitere biologisch aktive Substanzen. Hierzu gehören u.a. Leukozyten, Hormone, Wachstumsfaktoren und Cytokine. All diese Inhaltsstoffe besitzen einen positiven Einfluss auf die Entwicklung des Magen-Darm-Traktes sowie des Immunsystems, und helfen damit die Entwicklung der neugeborenen Kälber zu optimieren. Zudem hat Kolostrum einen sehr hohen Nährstoff- und Energiegehalt. Da Kälber nahezu ohne Fettreserven geboren werden, hat die frühzeitige Kolostrumaufnahme auch für die energetische Versorgung des Kalbes herausragende Bedeutung.

Im Fokus: Menge und Zeitpunkt der Kolostralmilchgabe

Die Kombination aus ausreichender Menge des aufgenommenen Kolostrums und des Zeitpunktes der Verabreichung sind die wichtigsten Faktoren für ein erfolgreiches Kolostrummanagement. Grundlage für diese Aussagen sind die Messungen des IgG-Gehalts im Blutserum der Kälber.

  • Das Kolostrum muss unmittelbar nach der Kalbung (in jedem Fall aber innerhalb der ersten Stunde) ermolken werden. Bereits kurze Zeit nach der Geburt nimmt der Gehalt an Immunglobulinen in der Milch ab, genauso bei Folgemelkungen.
  • Die Kälber sollten mindestens 3 (besser 4) Liter Kolostrum unmittelbar nach der Geburt, in jedem Fall aber innerhalb der ersten Lebensstunde, erhalten.
  • Dabei ist die Biestmilch in Betrieben, die nicht das Kolostrum der jeweiligen Mutter direkt an die Kälber verfüttert, ebenfalls innerhalb der ersten Stunde nach der Kalbung zu ermelken.
  • Die Empfehlung lautet, dass das Kolostrum von der betreuenden Person verfüttert wird, da ca. 50 % der Kälber, die unbeaufsichtigt die Biestmilch bei der Kuh zu sich nehmen, nicht ausreichend mit Kolostrum versorgt werden.

Herausforderung

In vielen Fällen wird das Kolostrum nicht nur zu spät, sondern auch in nicht ausreichender Menge an die neugeborenen Kälber vertränkt. Grund hierfür kann z. B. eine zu kleine Nuckelflasche sein. In diesem Fall muss die Nuckelflasche mehrmals mit Kolostrum aufgefüllt und ggf. erneut erwärmt werden, was einen zusätzlichen Arbeitsaufwand bedeutet.

Lösungsvorschlag:

  • ausreichend große Flasche mit einem Volumen von 3 (besser 4 Litern) oder Nuckeleimer

Tipps und Tricks

Wird die Faustregel „Vertränkung von 3 bis 4 Liter Kolostrum unmittelbar nach der Geburt“ eingehalten, sind die Chancen gut, dass der Adrenalinspiegel im Kalb von der Geburt noch sehr hoch ist und das Kalb somit die entsprechende Kolostrummenge gut und schnell von alleine aufnimmt. Ist die Geburt länger her, sinkt der Adrenalinspiegel ab und das Kalb ist unter Umständen „zu müde“, um ausreichend Biestmilch aufzunehmen.

Herausforderung

Die Forderung der „möglichst schnellen“ Kolostrum-Verabreichung, bringt die Herausforderung einer guten Geburtsüberwachung und des schnellen und flexiblen Handelns des betreuenden Personals mit sich. Dies erfordert, dass die Versorgung des neugeborenen Kalbes und der frisch abgekalbten Kuh einen sehr hohen Stellenwert im Management einnehmen muss. Insbesondere Betrieben, die kein spezialisiertes Personal für den Abkalbe- und Kälberbereich haben, verlangt dies ab, dass andere Aufgabenbereiche im Falle einer Kalbung kurzfristig vernachlässigt werden müssen.

Lösungsvorschlag:

  • weitere Fortbildung und Sensibilisierung des verantwortlichen Personals
  • Verdeutlichung des Stellenwertes der Kälberversorgung
  • intensive, begleitende Beratung
  • kann die Kuh nicht direkt nach der Kalbung gemolken werden, kann Kolostrum von anderen Kühen aus dem Bestand bevorratet werden und zur Fütterung erwärmt werden, dadurch kann jedes Kalb zeitnah mit Kolostrum versorgt werden
  • Kolostrumbank
  • SOPs für Betriebe mit mehr als einer für die Kälberversorgung zuständigen Person

Herausforderung

Wenn kein Kolostrumpool vorhanden ist, kann die für die rechtzeitige Kolostrumgabe erforderliche Melkung außerhalb der Melkzeiten, ein weiteres Hindernis darstellen. So ist die Biestmilchgewinnung in der Abkalbebox i.d.R. mit einem deutlichen Mehraufwand verbunden. Nicht nur die Melkung, auch die adäquate Reinigung der Melkutensilien stellt eine erhöhte Arbeitsbelastung dar. Dies führt in vielen Fällen dazu, dass mit der Biestmilchgewinnung bis zur nächsten Melkzeit gewartet und so das sensible Zeitfenster von einer Stunde p.p. nicht eingehalten wird.

Lösungsvorschlag:

Vereinfachung des Melkens im Abkalbebereich und der damit verbundenen Arbeiten:

  • Ausstattung des Abkalbebereiches mit einer gut handhabbaren Technik, z. B. eine mobile Melkanlage / mobile Vakuumpumpe (soweit möglich)
  • Ausstattung des Abkalbebereiches mit einer Fangvorrichtung für die Kühe, die auch für eine Einzelperson handhabbar ist
  • Anschlussmöglichkeit der Melkutensilien an die Melkanlage für eine einfache und schnelle Reinigung

Kolostrum-Qualität

Gutes Kolostrum sollte mehr als 50 g IgG pro Liter enthalten, aber auch mit geringeren IgG-Konzentrationen kann bei einem guten Management (s. o.) eine ausreichende Versorgung der Kälber gewährleistet werden. Die Voraussetzung hierfür ist, dass der Grundsatz „Vertränkung von 3 bis 4 Liter Kolostrum unmittelbar nach der Geburt, in jedem Fall aber innerhalb der ersten Lebensstunde“ eingehalten wird.

  • Durch die Messung der Kolostrumqualität sind Optimierungen bei der Immunglobulinversorgung der Kälber zwar möglich, im Vordergrund sollte jedoch die schnelle Verfütterung (innerhalb der ersten Lebensstunde) von einer ausreichenden Menge (3 - 4 Liter) Biestmilch stehen.
  • Treten Bestandsprobleme im Bereich der Kälbergesundheit auf, kann die Messung der Kolostrumqualität bei der Fehlersuche helfen.
  • Darüber hinaus ist auch eine Veranschaulichung der Kolostrumqualität mithilfe der praxisgängigen Methoden wie die Messung mit Hilfe des Refraktometers oder der Kolostrumspindel möglich. In der Regel sind die Kolostrumqualitäten in den Betrieben ausreichend.

Herausforderung

Systematisches Bestandsproblem: Die Kälber sind grundsätzlich schlechter mit IgG versorgt.

Lösungsvorschlag:

  • Beurteilung des Kolostrummanagements (siehe oben) → Messung der Kolostrumqualität (Ausschlussverfahren, Hinweise zur Optimierung der Kolostralmilch)
  • Argumentationsmöglichkeit für Berater: z. B., dass Qualität i.d.R. ausreichend ist → andere Ursachen für eine mangelnde Immunglobulinversorgung sind wahrscheinlich

Messung der IgG-Konzentration im Kolostrum

Für die Messung der IgG-Konzentration im Kolostrum hat sich das Refraktometer (insbesondere das digitale Refraktometer) bewährt. Der Vorteil dieses Messgerätes ist, dass es leicht zu reinigen ist, nur eine geringe Menge Kolostrum benötigt wird und besonders die elektronische Variante sehr temperaturstabil ist. Das Kolostrum hat eine gute Qualität (> 50 g IgG/l), wenn der gemessene Brix-Wert ≥ 22 % beträgt.

Management und Dokumentation

Für die Überprüfung des Kälbermanagements ist eine ausreichende Dokumentation und Überwachung des Kolostrummanagements nötig.

Herausforderung

Die Dokumentation des Kolostrummanagements ist in vielen Betrieben noch nicht ausreichend gegeben.

Lösungsvorschlag:

  • Dokumentation von Menge, Herkunft und Zeitpunkt der Kolostrumgabe sowie der Art der Verabreichung.

 

Mögliche Überwachungsmaßnahmen

  • Nachweis der IgG-Konzentration im Blut des Kalbes
  • Serumkontrolle von 12 bis dahin gesunden Kälbern zwischen dem 2. und 10. Lebenstag (siehe Tabelle von Goddon et al. 2019)
Tabelle 1: Kategorien für Immunglobulinwerte und äquivalente Messungen von Gesamtprotein und Brix sowie der Prozentsatz der Kälber, der für die jeweilige Kategorie empfohlen wird (verändert nach Goddon et al.  2019)
Kategorienempfohlene IgG-Serum-Konzentration (g/L)äquivalenter Serum-Gesamtproteingehalt (STP) (g/dL)äquivalente Serum Brix-Werte (%)empfohlende Kälber in jeder Kategorie (%)
ausgezeichnet≥ 25,0≥ 6,2≥ 9,4> 40
gut18,0 - 24,95,8 - 6,18,9 - 9,3~30
mittelmäßig10,0 - 17,95,1 - 5,78,1 - 8,8~20
schlecht< 10,0<5,1< 8,1< 10

 

Hygiene

Bei der Gewinnung und Verfütterung der Kolostralmilch gilt genauso wie beim Melken der abgabefähigen Milch die Einhaltung der entsprechenden Hygienestandards. Wenn dies nicht erfolgt, kommt es zu einer Potenzierung des Keimgehaltes von der Kuh bis zum Kalb. Dies führt zu einer verringerten IgG-Aufnahme im Darm um bis zu 50 %. Auch bei mobilen Melkanlagen ist auf eine einwandfreie Reinigung zu achten.

Eine gute Kolostralmilchhygiene bedeutet demnach:

  • Sauberes Gewinnen
  • Sauberes Lagern
  • Sauberes Vertränken

Nachfolgend sind die Risikopunkte, bei denen es schnell zu einer Kontamination der Kolostralmilch kommen kann, aufgeführt.

Schwachstelle 1: Ermelken der Kolostralmilch

Das erste Risiko für einen Erregereintrag in die Kolostralmilch ist bereits der Melkprozess an sich. Hier sollte unbedingt die Melkhygiene wie für die abgabefähige Milch eingehalten werden. Das bedeutet:

1. Handschuhe anziehen!

Anrüsten: 3 bis 4 Strahlen pro Zitze in einen Vormelkbecher (!) melken.

2. Dabei auf Flocken, grobsinnliche Veränderungen und weitere Mastitisanzeichen achten (Deutliche Erwärmung, Rötung und/oder Schwellung eines oder mehrere Euterviertel)

Achtung: Viertel mit einer klinischen Mastitis werden NICHT in die Kolostralmilch gemolken!

1. Zitzen – vor allem die Zitzenkuppe – mit einem sauberen Eutertuch reinigen → 1 Tuch pro Kuh, eine Ecke des Tuches pro Zitze

2. Melken

Nach dem Melken:

3. Kontrolle der Euterviertel

4. Dippen der Zitzen

5. Reinigung und/oder Zwischendesinfektion der Melkbecher. Reinigung der Melkanlage

Schwachstelle 2: Die Milchkanne

Wird die Milchkanne und die zuführenden Schläuche nicht nach jeder Melkung gründlich gereinigt, bietet der verbleibende Milch- und Fettfilm einen optimalen Nährboden für Keime. Das Kalb, dem als nächstes die Milch aus einer solchen Milchkanne gefüttert wird, bekommt also mit seiner ersten Mahlzeit auch eine große Menge Erreger verfüttert. Diese hemmen die IgG-Aufnahme drastisch und können Krankheiten wie Durchfall herbeiführen. Das Risiko der Übertragung von potentiell pathogenen Erregern ist bei der vorherigen Verwendung der Milchkanne für euterkranke Kühe besonders hoch.

Schwachstelle 3: Die Nuckelflasche / der Nuckeleimer → Zubehör für die Kälbertränke

Wie auch bei der Milchkanne gilt hier: Wenn eine unzureichende oder gar keine Reinigung der entsprechenden Behältnisse und Nuckel erfolgt, bieten die Milchreste die Grundlage für ein optimales Erregerwachstum und erhöhen das Risiko für das Auftreten von Kälberkrankheiten drastisch.

Auf die richtige Reinigung kommt es an:

Grundsätzlich sollte die Reinigung allen Zubehörs mit handwarmem Wasser und Spülmittel erfolgen. Stehen hierfür keine technischen Lösungen zur Verfügung, sich die Oberflächen mit einer Bürste und handelsüblichen Spülmittel zu reinigen, dabei wird das Tragen von Handschuhen empfohlen.

Bei der Säuberung mit Bürsten ist zu berücksichtigen, dass Oberflächen aus Kunststoff im Laufe der Zeit immer stärker aufgeraut werden und somit gute Wachstumsbedingungen für Erreger bieten. Behälter, die in dieser Form verschlissen sind, müssen ausgetauscht werden. Darüber hinaus muss auch das Reinigungswerkzeug (Spülbürste) regelmäßig gründlich gereinigt werden, damit es nicht zu einer Erregerübertragung zwischen den Behältnissen und Zubehör kommt. Die Behältnisse und das Zubehör sollten zudem so aufgehängt werden, dass alle Oberflächen gut abtrocknen können.

Herausforderung

Die Reinigung der Behältnisse und des Zubehörs für das Ermelken und die Verfütterung des Kolostrums, wie bspw. mobilen Melkanlagen, Milchkannen, Tränkeflaschen, Nuckel, Rohr/Schlauch des Drenchers etc., ist mit einem zusätzlichen Arbeits- und Zeitaufwand verbunden. Insbesondere die einwandfreie Reinigung von Behältnissen mit schmalen Öffnungen (z. B. Nuckelflasche) oder Schläuchen (z. B. bei mobilen Melkanlagen/Drenchbesteck) stellen oftmals eine Herausforderung dar

Lösungsvorschlag:

  • Es gibt mittlerweile einfache Aufhängekonstruktionen, die einen Anschluss der Milchkannen an den Melkstand ermöglichen. Die Reinigung mit der Melkanalage hat den Vorteil, dass sie auf dem Niveau der täglichen Routinereinigung der Melkutensilien erfolgt und zudem zeitsparend ist.
  • Kleinere Zubehörteile, wie bspw. Nuckelflaschen können in einer handelsüblichen Spülmaschine schnell und einfach gesäubert werden.
  • Für dünne Schläuche und Rohre stehen entsprechende Bürsten in bspw. Zoofachgeschäften zur Verfügung.

Um die Kolostrumhygiene zu kontrollieren können Kolostrumproben für eine bakterielle Untersuchung gezogen werden. Diese sollten bspw. aus dem Drenchrohr entnommen oder aus dem Nuckel ermolken werden, um die Keimbelastung des Kolostrums so zu erfassen, wie sie anschließend im Kalb ankommt. Die Probe sollte in ein steriles Röhrchen abgefüllt und anschließend bis zur Untersuchung eingefroren werden.

Richtwerte für die Kontrolle der bakteriellen Belastung sind:

  • Gesamtkeimzahl < 100.000 KbE/ml
  • Coliforme Keime < 10.000 KbE/ml

Das Kolostrum sollte unter hygienisch einwandfreien Bedingungen ermolken werden, da ein erhöhter Keimbesatz die Aufnahme der Immunglobuline im Darm deutlich herabsetzt. Hierzu gehört auch eine einwandfreie Reinigung der Behältnisse und des Zubehörs nach jeder Milchgewinnung.

Empfehlung: Einmalhandschuhe tragen, vormelken, Euter reinigen, sauber melken!   

Lagerung

Je nach Betriebsgröße und –struktur gibt es neben der Direktvertränkung des Kolostrums auch die Strategie der Kolostrumlagerung.

Direktvertränkung

Die Direktvertränkung des Kolostrums, ohne Lagerung, bietet den Vorteil, dass beim richtigen Management (direkte Vertränkung des Kolostrums innerhalb der ersten Stunde nach der Geburt) keine Zeit für ein starkes Wachstum der Mikroorganismen im Nährmedium Milch gegeben ist. Ein zusätzlicher positiver Effekt ist, dass bei der Direktvertränkung in der Regel das maternale Kolostrum verfüttert wird. Dies hat aufgrund der im Kolostrum enthaltenen maternalen Leukozyten, Hormone, Wachstumsfaktoren und weiterer nicht-nutritiver Substanzen einen positiven Effekt für das Kalb.

Möglichkeiten für Lagerroutinen

  1. Tiefgefrieren
  • Hier sollte das Kolostrum in jedem Fall bei ≤ -20 °C für max. 1 Jahr (!) tiefgefroren werden. Um die maximale Lagerzeit kontrollieren zu können, ist eine Beschriftung der Behältnisse mit dem Datum der Kalbung – und wenn gemessen auch der Kolostrumqualität – zwingend erforderlich. Zudem sollte die Temperatur im Tiefkühler in regelmäßigen Abständen (vor allem im Sommer) kontrolliert werden. Auch bei ordnungsgemäßer Lagerung des eingefrorenen Kolostrums ist die Wirkung der Immunglobuline vermindert. Für ein schnelleres Auftauen des Kolostrums eignet sich das portionsweise Einfrieren in Tiefkühlbeuteln, die flach in das Tiefkühlfach gelegt werden. Wahlweise gibt auf dem Markt auch zahlreiche Produktsysteme, die die folgenden Punkte erfüllen: ausreichendes Volumen, schnelles Auftauen, hygienisches Befüllen und wenn gewünscht, auch die Möglichkeit zur Pasteurisierung. Das Auftauen sollte bei Temperaturen von < 50 °C erfolgen. Höhere Temperaturen führen zu einer weiteren Schädigung der Immunglobuline.

    2.  Kühlschranklagerung

  • Im Kühlschrank kann das Kolostrum für max. 48 Stunden bei ≤ 4 °C gelagert werden. Auch bei diesem Lagerungssystem ist eine gute Beschriftung des Kolostrums unabdingbar (s. o.). Die Leistungsfähigkeit des Kühlschrankes sollte wöchentlich überprüft werden.

Kontrolle der bakteriellen Belastung bei Bestandsproblemen:

  • Treten Gesundheitsstörungen bei den Kälbern als Bestandsproblem auf, kann eine bakterielle Untersuchung des Kolostrums Aufschluss über mögliche Ursachen und systematische Managementfehler geben. Hierzu sollten jedoch zunächst die oben beschriebenen Punkte des Kolostrummanagements überprüft werden.

     3.  Pasteurisierung

  • Die Lagerung nach vorheriger Pasteurisierung bietet eine Möglichkeit, um die bakterielle Belastung der Kolostralmilch zu vermindern. Für die richtige Anwendung sind die Herstellerangaben des jeweiligen Pasteurs zu beachten und die angegebenen Zeiten und Temperaturen einzuhalten. Generell lässt sich aber festhalten, dass Temperaturen von 60 °C für eine Stunde beim Pasteurisieren des Kolostrums nicht überschritten werden sollten.

Herausforderung

Eine zu lange Lagerung des Kolostrums bedingt eine verminderte Wirkung der Immunglobuline und der weiteren biologisch aktiven Substanzen.

Lösungsvorschlag:

  • Beschriftung und regelmäßige Überprüfung der Kolostrumvorräte.

Herausforderung

Zu warm gelagertes Kolostrum, was eine verminderte Wirkung der Immunglobuline und der weiteren biologisch aktiven Substanzen und eine erhöhte Keimbelastung zur Folge hat.

Lösungsvorschlag:

  • Durchführung einer regelmäßigen Überprüfung der Temperatur von Kühl- oder Gefrierschrank.

Drenchen von Kolostralmilch

Unter Beachtung des rechtlichen Rahmens wird empfohlen, Kolostrum nur dann zu drenchen, wenn das Kalb die erwünschte Menge von 3 l Kolostrum innerhalb der ersten Lebensstunden nicht freiwillig trinkt.

Durchführung des Drenchens:

  • Verweis auf den Hoftierarzt bei Fragen und Schulung zur Durchführung
  • auch hier sollte das Behältnis ein Volumen von 3 bis 4 l aufweisen

Literatur

  • Goddon, S., Lombard, J., Woolums, A., 2019, Colostrum Management for Dairy Calves. Vet Clin Food Anim 35, S. 535-556
  • Lorenz, 2021, Calf health from birth to weaning - an Update. Irish Veterinary Journal, 74:5
  • Sheila McGuirk VCNA 2004 → Richtwerte für die bakterielle Belastung des Kolostrums
  • Buczinski und Vandeweerdt, 2016, Diagnostic accuracy of refractometry for assessing bovine colostrum quality: A systematic review and meta-analysis, J. Dairy Sci. 99:7381-7394 → Refraktometer