So gelingt ein guter Start ins Leben
Online Veranstaltungsreihe der Landwirtschaftskammer Niedersachsen zur Geburtshilfe und Kälberversorgung
Wie gelingt ein guter Start in das Leben eines Rindes? Mit dieser Frage beschäftigten sich zwei Webseminare, welche im Rahmen des bundesweiten Projektes Netzwerk Fokus Tierwohl an der Landwirtschaftskammer Niedersachsen angeboten wurden.
Korrekte Einschätzung der Geburtssituation
In einem ersten Teil referierte Dr. Carola Fischer-Tenhagen vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) über die Geburtshilfe beim Rind. In Deutschland werden aktuell etwa 8% der Kälber tot geboren oder versterben um den Geburtszeitpunkt. Diese Quote gilt es langfristig zu verbessern. Als ersten Schritt hierzu ist die korrekte Einschätzung der Geburtssituation notwendig. Gängige Anzeichen sind bspw. Unruhe, Schleimabgang, Euterbildung oder das Abhalten des Schwanzes. Dies sind zwar gute Indikatoren dafür, dass eine Geburt ansteht, allerdings zu ungenau für die Beantwortung der Frage nach dem „Wann?“. Der genaue Zeitpunkt ist allerdings von essentieller Bedeutung, denn laut der Expertin kann durch eine rechtzeitige Geburtserkennung die Totgeburtenrate auf 2 % gesenkt werden. Ein wirklich sicheres Anzeichen, dass sich die Kuh in der Geburt befindet ist, wenn das Kalb in der Scham sichtbar wird. Ab jetzt dauert eine normale Geburt noch etwa 1 - 2 Stunden. Laut Frau Dr. Fischer-Tenhagen ist Geduld der beste Geburtshelfer und ein Eingreifen sollte dann erfolgen, wenn...
- kein Geburtsfortschritt für 30 Minuten stattfindet,
- die Farbe des Fruchtwassers verändert ist,
- seit über 2 Stunden die Fesseln aus der Scham ragen,
- die Vitalität des Kalbes nachlässt.
3S Regel bei der Geburtshilfe
Wird eingegriffen, gilt die „3S Regel“: Sauber, Schleim, Sanft. Das bedeutet, dass zunächst die Kuh im Schambereich und die Hände und Arme des Geburtshelfers selbst bis zur Schulter gewaschen werden müssen. Danach muss die Lage des Kalbes überprüft werden. Bei Vorderendlage darf nur gezogen werden, wenn der Rücken des Kalbes oben liegt, beide Beine gestreckt sind und der Kopf nach vorne zeigt. Bei anderen Positionen ist es angebracht einen Tierarzt einzuschalten, wenn die Fehlstellung nicht allein behoben werden kann. Der Geburtsgang sollte großzügig mit einem Gleitmittel befeuchtet werden. Zu guter Letzt kann nun tatsächlich gezogen werden. Die Expertin rät, dass maximal zwei kräftige Personen jeweils abwechselnd an einem Vorderbein des Kalbes ziehen sollten. Von mechanischen Geburtshelfern rät sie ab, da diese zu viel Kraft aufbringen und so nachgewiesener Maßen Kuh und Kalb schwer verletzen können. Wenn sich nach 10 bis 15 Minuten Zughilfe kein Geburtsfortschritt eingestellt hat, ist ein Tierarzt einzuschalten.
Ist das Kalb letztendlich gesund auf die Welt gekommen und auch die Kuh versorgt, kommt es auf das richtige Kälbermanagement an. Hierbei sind vor allem die ersten Lebenstage entscheidend. Dazu referierte Dr. Caroline Esfandiary vom Rindergesundheitsdienst der LWK Niedersachsen in einem zweiten Webseminar.
Erste Schritte der Kälberversorgung
Zunächst ging die Tierärztin auf die ersten Schritte zur Versorgung in der Abkalbebox ein. Als erstes muss geprüft werden, ob das Kalb atmet und es muss richtig gelagert werden. Setzt die Atmung nicht ein, sollte das Kalb umgehend in die Brust- und Bauchlage gebracht werden, anschließend sollte sichergestellt werden, dass die oberen Atemwege frei sind (hierzu das Kalb nicht an den Hinterbeinen hochziehen!). Sind die Atemwege frei und das Kalb atmet trotzdem nicht, kann ein Kaltwasserguss in den Nacken helfen. Auch die Beatmung des Kalbes durch einen Kälberretter sowie der Einsatz von ätherischen Ölen sind sinnvoll. Danach kann die Nabeldesinfektion folgen sowie ggf. die Unterstützung der Vitalität durch Vitamine und Mineralien (sog. Kälberbooster). Die Referentin empfiehlt, das Kalb für etwa 30 Minuten zum intensiven Ablecken bei der Kuh zu belassen, ehe es in ein Einzeliglu transportiert wird. Am entscheidendsten für die Entwicklung eines gesunden Kalbes ist bekanntlich die rechtzeitige Aufnahme einer ausreichenden Menge an Kolostrum. Die Expertin gibt hier idealerweise vier Liter in den ersten vier Lebensstunden an. Dies gilt es genauestens zu überwachen und Kälber mit einem geringen Saugreflex ggf. mehrfach anzusetzen. Da der Dünndarm nur wenige Stunden für die Immunglobuline aus der Biestmilch durchlässig ist, muss im Notfall – z.B. bei Kälbern ohne Schluckreflex - auf das Drenchen zurückgegriffen werden. Dies sollte allerdings nicht zur Routine bei allen Kälbern werden.
Zum Abschluss Ihres Vortrages zeigte Frau Dr. Esfandiary noch einige Praxisbeispiele aus der Kälberhaltung im Landwirtschaftlichen Bildungszentrum Echem. Besonderes Augenmerk wurde dabei auf die Hygiene der Einstreu, der Tränken und des Futters gelegt. Zudem werden Kälber, die krank sind oder nicht gut saufen, markiert, damit trotz der häufig wechselnden Mitarbeiter eine gute Betreuung durchgeführt werden kann.
Autorin: Alexandra Koch, Landwirtschaftskammer Niedersachsen