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Förderhinweis

Das Projekt wurde gefördert mit Mitteln des Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raumes (ELER).

Diese Dokument wurde im Rahmen des Verbundprojektes Netzwerk Fokus Tierwohl, Förderkennzeichen 28N-4-013-01 bis 28N-4-013-17, durch das Tierwohl-Kompetenzzentrum Geflügel erarbeitet und durch DLG e.V. und FiBL Deutschland e.V. methodisch-didaktisch aufbereitet. 
Das Verbundprojekt der Landwirtschaftskammern und landwirtschaftlichen Einrichtungen aller Bundesländer hat das Ziel, den Wissenstransfer in die Praxis zu verbessern, um rinder-, schweine- und geflügelhaltende Betriebe hinsichtlich einer tierwohlgerechten, umweltschonenden und nachhaltigen Nutztierhaltung zukunftsfähig zu machen. 
Das Projekt wird gefördert durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages. 

Alle Informationen und Hinweise ohne jede Gewähr und Haftung.

 

Das Projekt MeTiWoLT II („Mehr Tierwohl für Legehennen in Thüringen II") beschäftigte sich im Zeitraum von April 2020 bis März 2023 intensiv mit der Untersuchung von Brustbeinveränderungen bei Legehennen. Der Thüringer Geflügelgesundheitsdienst, in Zusammenarbeit mit dem Thüringer Geflügelwirtschaftsverband e.V., begleitete über die Projektlaufzeit 10 Legehennenherden und sammelte Daten zum Brustbeinstatus im Verlauf der Legeperiode und den möglichen Einflussfaktoren der Entstehung von Brustbeinveränderungen. 

 

Brustbeinveränderungen bei Legehennen

Autorin: Julia Marggraff

Die Brustbeingesundheit gehört zu den großen Tierschutzthemen im Legehennenbereich. Insbesondere leistungsstarke Legelinien können davon betroffen sein, egal ob in Boden-, Freiland- oder Ökohaltung.

Was sind Brustbeinveränderungen?

Brustbeinveränderungen treten bei Legehennen als Schäden multifaktorieller Ursache auf. Mögliche Formen dieser Veränderungen sind Deformationen und/oder Frakturen (Knochenbrüche).

Als Deformation bezeichnet man eine Verformung des Knochens; die Brustbeine betroffener Hennen sind seitlich verbogen oder frontal eingedellt. Mitunter ist das Brustbein einer Henne in beide Richtungen deformiert.

Bei Knochenbrüchen wird zwischen traumatisch bedingten und atraumatischen Frakturen unterschieden. Im Gegensatz zur traumatisch bedingten fehlt bei der atraumatischen Fraktur eine externe Krafteinwirkung als Ursache (z.B. Aufprallen auf eine harte Kante). Bei diesen Frakturen sind die Frakturenden am Knochen oft sehr dicht beisammen und die Knochenhaut bleibt intakt. Im Röntgenbild stellen sie sich als feine Haarrisse dar. Diese Frakturen treten meist bei älteren Hennen als Folge von Knochenermüdungen oder Osteoporose auf. Bei traumatisch bedingten Frakturen ist der Schweregrad abhängig von der Krafteinwirkung. Je schwerwiegender die Kollision im Haltungssystem oder je größer die Kraft, desto größer der Zerstörungsgrad am Knochen. Das Spektrum reicht dabei von kleinen abgebrochenen Knochenenden bis zu schweren Trümmer- oder Splitterfrakturen. Im Lauf der Haltungsperiode kann das Brustbein einer Legehenne mehrmals brechen. Beide beschriebenen Frakturformen können am selben Tier auftreten.

Wie stelle ich fest, welche Hennen betroffen sind?

Da in den wenigsten Ställen Röntgengeräte zum Einsatz kommen, die für das Feststellen von Knochenbrüchen optimal wären, greift man auf die Methodik der Palpation zurück. Dabei tastet der Untersucher das Brustbein einzelner Hennen ab und erfühlt Abweichungen der „normalen“ Brustbeinform.

Die so festgestellten Veränderungen werden anhand einer objektiven Scala bewertet und notiert. Entsprechende Boniturscores findet man zum Beispiel im M-Tool. In einer Herde sollten mindestens 50 Hennen, eingefangen aus allen Bereichen des Stalles, abgetastet werden. Anhand der betroffenen Tiere innerhalb dieser Stichprobe kann der Anteil von wahrscheinlich betroffenen Tieren in der gesamten Herde abgeschätzt werden.

Die Untersuchung kann ohne größeren Mehraufwand beim regelmäßigen Wiegen oder / und der Gefiederbonitur durchgeführt werden. So erhält man einen umfassenden Eindruck vom Zustand der Herde. Mit etwas Übung kann der Untersuchende schnell und genau die Brustbeingesundheit der Hennen beurteilen.

Da sich die Brustbeingesundheit mit zunehmendem Alter mit hoher Wahrscheinlichkeit verschlechtern wird, empfiehlt es sich, die Bonitur im Verlauf der Legeperiode regelmäßig durchzuführen. Dazu sind folgende Zeitpunkte besonders geeignet:

- unmittelbar nach der Einstallung in den Legebetrieb

- mit Einsetzen der Legetätigkeit

- zur Legespitze

- mit 45 Lebenswochen

- kurz vor der Ausstallung

Die Entwicklung von Brustbeinveränderungen innerhalb der Herde ermöglicht es, kritische Zeitpunkte oder Phasen während der Haltungsperiode zu erkennen. Sie kann Hinweise auf mögliche Ursachen und daraus abgeleitet sinnvolle Präventionsmaßnahmen liefern.

Wie kommt es zu Brustbeinveränderungen und was kann man dagegen tun?

Die Ursachen für Brustbeinveränderungen sind vielfältig, wissenschaftliche Untersuchungen haben Einflussfaktoren in verschiedenen Bereichen identifiziert: Sie betreffen sowohl Haltungsbedingungen, die genetische Herkunft der Hennen, Fütterung, und auch das Management der Herden.

In Boden-, Freiland- oder Ökohaltung treten Brustbeinveränderungen teils in unterschiedlicher Ausprägung auf. Entscheidend ist dabei nicht die Haltungsform per se, sondern die Einrichtung des Stalles, denn Herden in Ställen mit nur einer Ebene, ohne Volierensystem, haben ein geringeres Unfallrisiko im Vergleich zu Herden, die in einem komplexen Volierensystem mit mehreren Etagen gehalten werden. Das liegt daran, dass Hühner tendenziell keine guten Flieger sind. Sie nutzen neben ihrer Sprungkraft hauptsächlich das sogenannte „Flatterklettern“ als Fortbewegungsmethode und weniger das eigentliche Fliegen, das eher in Fluchtsituationen eingesetzt wird. Entsprechend ist das Unfallrisiko (z.B. Kollisionen im System, Abstürze) in Haltungssystemen, die die Tiere zum Nutzen ihrer Flugfähigkeit animieren, höher. Herden in solchen Systemen können in ihren Bewegungsabläufen unterstützt werden, zum Beispiel durch Aufstiegshilfen in Form von zusätzlichen Stangen und/oder Rampen. Um das Unfallrisiko beim „Überflug“ von Korridoren zu reduzieren, kann man -sofern praktikabel- Korridorbrücken als Übergänge zwischen den oberen Ebenen anbieten.

Auch die Anordnung und das Material von Sitzstangen spielen eine Rolle. Für ein optimales Manövrieren innerhalb des Volierensystemes sollten die Sitzstangenabstände nicht zu groß (horizontal nicht mehr als 75 cm; vertikal nicht mehr als 50 cm) und die Winkel zwischen den Stangen nicht zu steil sein (unter 45°). Sitzstangen aus rutschfesten Materialien mit dem Hühnerfuß angepasster Fußungsfläche (Stangendurchmesser 3 – 5 cm) ermöglichen den Hennen Greif- und Trittsicherheit und verringern das Unfallrisiko.

Im Idealfall sind die Haltungssyteme in Aufzucht- und Legebetrieb sehr ähnlich, so dass den Hennen nach der Umstallung in den Legestall Orientierung und Bewegung im System erleichtert werden. Im Aufzuchtstall haben sich bestimmte Systeme bewährt, um die Mobilität der Junghennen zu unterstützen: Mitwachsende Systeme und das frühe Angebot von Kletterhilfen fördern die muskuloskelettale Entwicklung und die Koordinationsentwicklung der Tiere. Sie bewegen sich dadurch in Legeställen mit Volieren sicherer und geschickter. Wichtig sind zudem Informationen aus dem Aufzuchtbetrieb zu Haltung und Management während der Aufzucht, um den mit der Umstallung in den Legestall verbundenen Stress für die Hennen durch möglichst ähnliche Rahmenbedingungen zu minimieren.

Verschiedene genetische Herkünfte weisen Unterschiede im Körperbau und im Verhalten auf. Beispielsweise sind weiße Legelinien im Vergleich zu braunen durchschnittlich etwas leichter und nutzen höhere Ebenen vermehrt. Hält man weiße und braune Legehennen gemeinsam, können infolge der unterschiedlichen Eigenschaften und Ansprüche der jeweiligen Legelinie Stresssituationen auftreten. Im ungünstigen Fall wird die Herde unruhig, das Unfallrisiko und in der Folge der Anteil an Hennen mit Brustbeinschäden steigt.

Grundsätzlich ist es daher sinnvoll, nur Tiere einer einheitlichen genetischen Herkunft, aufgezogen im selben Aufzuchtstall, als Herde einzustallen. Dadurch wird auch die leistungsgerechte Versorgung der Hennen entsprechend den Anforderungen der jeweiligen Legelinie vereinfacht.

Legehennen haben hohe Ansprüche an die Nährstoffversorgung. Für die Brustbeingesundheit hat dabei die adäquate Versorgung mit Calcium eine besondere Bedeutung, insbesondere bei anhaltend hoher Legeleistung. Ideal ist das Angebot von Calcium als grobe und feine Partikel in einem Verhältnis von 70 % zu 30 %. Neben einem leistungsgerechten Anteil von Calcium im Alleinfutter ist ein zusätzliches Angebot von Futterkalk insbesondere in den Nachmittags- und Abendstunden sinnvoll, da der Bedarf der Hennen wegen der nächtlichen Eischalenbildung dann am höchsten ist.

Die genaue Zusammensetzung des Futters sollte im Verlauf der Legeperiode an die Leistung der Tiere angepasst werden (Phasenfütterung). Wer die Option hat, mehrere Futtersilos anzusteuern, kann die Rationsgestaltung tageszeitabhängig variieren, um die Nährstoffversorgung der Hennen weiter zu optimieren (Splitfeeding). Das Angebot von säurefesten Steinen („Magensteine“) zur Unterstützung der Futterzerkleinerung im Muskelmagen sowie uneingeschränkt zur Verfügung stehendes sauberes Tränkwasser sollte selbstverständlich sein. Eine Futterwaage wird für jeden Legehennenstall empfohlen, um die aufgenommene Futtermenge pro Henne tagesaktuell zu erfassen.

Neben dem Fütterungsmanagement haben sich weitere Maßnahmen bewährt, um Brutbeinschäden vorzubeugen: In den ersten Tagen nach der Einstallung sollten abends die Tiere aus dem Scharrraum in das System gesetzt oder Bereiche unterhalb der Voliere temporär absperrt werden, um sicherzustellen, dass alle Hennen Futter und Wasser aufnehmen. Ein verzögertes Ausschalten der Lichtquellen (Dimmen) signalisiert den Tieren das Ende des Lichttags. Diese Dimmphase sollte mindestens 30 Minuten dauern, um ein „entspanntes“ Aufsuchen der Schlafplätze in den oberen Bereichen der Voliere mit geringem Unfallrisiko zu ermöglichen.

Zum Zeitpunkt der Einstallung in den Legebetrieb, in der Regel mit 17 oder 18 Lebenswochen, sind die Hühner noch nicht ausgewachsen und das Skelett inklusive Brustbein ist noch nicht vollständig verknöchert. Stimuliert man die Hennen bereits früh zum Eierlegen, kann sich das negativ auf die skelettale Entwicklung und in der Folge auf Brustbeinveränderungen auswirken. Vor Abschluss der 21. Lebenswoche sollte der Legebeginn deshalb nicht forciert werden.

Auch der allgemeine Gesundheitszustand der Hennen kann im Zusammenhang mit Brustbeinschäden stehen. Das regelmäßige Gesundheitsmonitoring darf deshalb nicht vernachlässigt werden. Dazu zählen u.a. Kontrollen eines Ekto- (Milben) und / oder Endoparasitenbefalls (Würmer) inklusive deren Bekämpfung ebenso wie die Früherkennung von Federpickgeschehen. Neben der Sicherung der Tiergesundheit, die zu einer stabilen Leistungsfähigkeit beiträgt, sorgen regelmäßige Kontrollen auch für die Gewöhnung der Herde an menschlichen Kontakt. Dadurch nehmen die Tiere die Anwesenheit des Menschen weniger als Gefahr wahr und verhalten sich entspannter, was ebenfalls zur Senkung des Unfallrisikos in einer Herde beiträgt.

Trotz allen Präventionsmaßnahmen wird man Veränderungen am Brustbein wahrscheinlich nicht gänzlich verhindern können. Jedoch bieten sich den Tierhaltenden eine Vielzahl an Handlungsmöglichkeiten und damit Stellschrauben, um die Brustbeingesundheit der Hennen zu fördern und somit einen wichtigen Beitrag zum Tierwohl zu leisten.