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  • Dr. Jens Baltissen, Bundesverband Rind und Schwein e.V.
  • Dr. Dieter Krogmeier, Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft
  • Konstanze Rohwer, Hof Blauer Lieth, Westerrönfeld; Impulsbetrieb Tierwohl
  • PD Dr. Anke Römer, Landesforschungsanstalt für Landwirtschaft und Fischerei Mecklenburg-Vorpommern
  • Caroline Leubner, Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen

Einführung

Seit einiger Zeit ist die verlängerte Zwischenkalbezeit ein Thema, welches in Bezug auf die Nutzungsdauer, Tierwohl und die niedrigen Kälberpreise immer wieder erwähnt wird. Doch was ist damit gemeint und was bringt es für meinen Betrieb?

Bei der verlängerten Zwischenkalbezeit, auch verlängerte Laktation genannt, wird mit der ersten Besamung nach der Kalbung länger als üblich gewartet. Der Betrieb entscheidet selbst, wie viel freiwillige Wartezeit er der Kuh gewährt. Ab 80 Tagen freiwillige Wartezeit kann von einer Verlängerung der Zwischenkalbezeit gesprochen werden. Aber fangen wir von vorne an. Was ist die Zwischenkalbezeit oder die freiwillige Wartezeit? Dies wird in Abbildung 1 deutlich.

Physiologisch betrachtet tritt die erste Brunst der Kuh ca. 9 bis 12 Tage nach der Abkalbung auf. Der Brunstzyklus dauert durchschnittlich 21 Tage und tritt regelmäßig übers ganze Jahr auf. Ab dem 40. Tag nach der Kalbung zeigen viele Kühe deutliche Brunstanzeichen.

Begriffe und Definitionen in Zusammenhang mit der Fruchtbarkeit von Kühen

  • Trächtigkeitsdauer (Tragzeit): Zeitraum von der Belegung bis zur Abkalbung
  • Zwischenkalbezeit (ZKZ): Zeitraum zwischen zwei aufeinanderfolgenden Kalbungen
  • Rastzeit (RZ): Zeit zwischen Abkalbung und erster Belegung
  • Freiwillige Wartezeit (FWZ): Zeit die nach der Abkalbung bis zur ersten Belegung abgewartet wird.
  • Unfreiwillige Wartezeit (UWZ):  Zeit zwischen freiwilliger Wartezeit und erster Belegung
  • Güstzeit (Zwischentragezeit): Zeit zwischen Kalbung und erfolgreicher Belegung
  • Verzögerungszeit (VZ): Zeit von der ersten Besamung nach der Kalbung bis zur erfolgreichen Belegung
  • Brunstnutzungsrate (BNR): Anteil der korrekt als brünstig erkannten und belegten Kühe
  • Konzeptionsrate (KR):  Prozentualer Anteil der tragenden Kühe an den besamten Kühen
  • Non-Return-Rate (NRR): % Kühe, die in einer festgelegten Zeit nach der Erstbesamung (nach 28, 56 oder 90 Tagen) nicht noch einmal brünstig wurden.

Bedeutung der Zwischenkalbezeit – damals und heute

Über viele Jahrzehnte wurde bei einer Standardlaktation von 305 Tagen eine Zwischenkalbezeit von einem Jahr angestrebt und die „Fruchtbarkeitsgrenze“ mit rund 400 Tagen zwischen den Kalbungen angesetzt. Dies galt anfangs für geringere Leistungen von um die 3.500 kg pro Jahr. Die Zwischenkalbezeit musste also unter 400 Tagen liegen, damit die Kühe sich nicht von alleine trockenstellten. Zu Beginn der künstlichen Besamung wurde der Grenzwert von 365 Tagen eingeführt, der zu der damaligen Milchleistung passte. Eine ZKZ über 400 Tagen galt als „schlechtes“ Fruchtbarkeitsergebnis. Standard ist bislang eine freiwillige Wartezeit von 40 Tagen.

In den 90er Jahren war es für einen optimal geführten Betrieb gut, eine Zwischenkalbezeit von 12 bis 13 Monaten zu erzielen. Zudem wurde empfohlen, die mittlere Güstzeit von 105 Tagen zu unterschreiten, die durch die Kürzung der Rastzeit oder der Verzögerungszeit erreicht werden konnte. Darüber hinaus waren die Kälberpreise relativ hoch und es konnte ein schnellerer Zuchtfortschritt erzielt werden. Ein Kalb pro Jahr deckte die Fixkosten der Kuh und für Zweinutzungsrassen lag der Marktwert zudem auf einem guten Niveau, weshalb ein Kalb pro Jahr wirtschaftlich vorteilhaft war.

Mit steigender Milchleistung sollten diese Grenzen überdacht werden, denn je mehr Durchschnittleistung, desto mehr Tage sollten der Kuh als freiwillige Wartezeit zugestanden werden, um wirtschaftliche Vorteile zu nutzen und um die Tiergesundheit und das Tierwohl zu stärken. In Abbildung 2 ist der Zeitverlauf über die Jahre anhand der Zwischenkalbezeit und der Durchschnittleistung aufgezeigt.

Zusammenfassung

  • Damalige Ansicht: Ein Kalb pro Jahr unabhängig von der Milchleistung ist optimal für einen gut geführten Betrieb.
  • Grenze des Fruchtbarkeitskennwertes muss überdacht werden, denn mit steigender Milchleistung sollte die Zwischenkalbezeit angepasst und verlängert werden.
  • Die freiwillige Wartezeit wird je nach Milchleistung verlängert (z. B. 1. Besamung > 80 Tage) und dadurch auch die Zwischenkalbezeit (> 400 Tage).

Voraussetzungen für eine erfolgreiche Umsetzung der verlängerten Zwischenkalbezeit

Ob die Verlängerung der ZKZ für den eigenen Betrieb und die eigenen Kühe in Frage kommt, kann an mehreren Faktoren festgemacht werden. Der Umfang der Verlängerung der Zwischenkalbezeit ist eine tierindividuelle Entscheidung. Grundvoraussetzung ist, dass die Kuh gesund ist und über eine gute Kondition verfügt. Auch die Haltungsumgebung muss optimal sein, damit eine Verlängerung erfolgreich umgesetzt werden kann.

Wichtig sind eine ausreichende Milchleistung und eine gute Persistenz . Das bedeutet, dass die tägliche Milchleistung einer Kuh nach der Laktationsspitze nur langsam im Laktationsverlauf abnimmt und die Kuh dadurch über die Standardlaktationslänge hinaus konstant eine gute Milchleistung erzielt, mit der die Kuh in eine Verlängerung gehen kann. Zudem ist eine gute Brunstbeobachtung mit einer hohen Trächtigkeitsrate wichtig, was eine intensivere Tierbeobachtung notwendig macht. Die tierindividuelle Entscheidung zur Dauer der freiwilligen Wartezeit fußt also auf der Milchleistung, dem Laktationstag und der Laktationsnummer. Darüber hinaus muss eine leistungsangepasste, bestmögliche Fütterung besonders in der Spätlaktation gewährleistet werden.

Bei zu geringen Milchleistungen sowie schlechter Persistenz sollte auf die Verlängerung verzichtet werden. Fruchtbarkeitsprobleme sind ebenfalls ein Ausschlusskriterium. Wenn ein hoher Nachzuchtbedarf z. B. für Zuchttierverkäufe besteht, macht die verlängerte Zwischenkalbezeit keinen Sinn, da weniger Kälber geboren werden.

Definition Persistenz

Persistenz bedeutet, dass die Milchleistung im Verlauf der Laktation einer Kuh nach der Laktationsspitze nur langsam abnimmt und die Kuh dadurch über die Standardlaktationslänge hinaus gute Milchleistungen erzielen kann.

Praktische Umsetzung der verlängerten ZKZ

Wenn die Voraussetzungen auf dem Betrieb gegeben sind und sie zu den eigenen Kühen passen, muss stets tierindividuell entschieden werden, wann der beste Zeitpunkt für die Besamung ist. Allgemein gilt: je höher die Milchleistung ist, umso länger kann die Zwischenkalbezeit sein. Dementsprechend muss auch die freiwillige Wartezeit angepasst werden.

Empfehlung zur Dauer der freiwilligen Wartezeit:

  • 9.000 – 10.000 kg pro Jahr --> Mit Erstbesamung ein bis zwei Zyklen länger warten (60 – 80 Tage nach Abkalbung je nach Brunstanzeichen)
  • über 10.000 kg --> Mit Erstbesamung mindestens zwei Zyklen länger warten (mindestens 80 Tage, besser 100 Tage nach Abkalbung je nach Brunstanzeichen)

Somit kann Kühen mit höheren Laktationsleistungen eine freiwillige Wartezeit von mehr als 100 Tagen gewährt werden. In Tabelle 1 wird der letztmögliche Besamungszeitpunkt abhängig vom Laktationstag und der Jahresmilchleistung (kg) veranschaulicht.

Es kann aber für den Zeitpunkt der Besamung nicht nur nach der Milchleistung entschieden werden. Die aktuelle Kondition, aber auch der Fett-Eiweiß-Quotient (FEQ) können für die tierindividuelle Entscheidung relevant sein. Der FEQ sollte zur Besamung unter 1,4 liegen, um sicherzustellen, dass die Kühe ausreichend Energie für eine erneute Trächtigkeit haben und keine Ketose vorliegt.

Zusammenfassung

  • Tierindividuelle Entscheidung (gute Gesundheit und Kondition, hohe Persistenz und hohe Milchleistung sowie Fett-Eiweiß-Quotient unter 1,4).
  • Gute Brunstbeobachtung und ein passendes Besamungsmanagement.
  • Je höher die Milchleistung der Kühe, desto länger kann die Zwischenkalbezeit sein.
  • Eine Verlängerung ist nicht zu empfehlen bei niedriger Milchleistung und bei kranken Tieren.

Vorteile einer verlängerten Zwischenkalbezeit

Durch die bewusst verlängerte Zwischenkalbezeit können Synergieeffekte entstehen. Die Verbesserung der Fruchtbarkeitskennzahlen ist hier als Erstes zu nennen. Bei einer frühen Besamung ist aufgrund der negativen Energiebilanz nicht gewährleistet, dass die Kühe tragend werden. Die Kühe stecken alle ihre Nährstoffe und Energie in die Milchproduktion und haben wenig Ressourcen für eine erneute Trächtigkeit.

Zudem zeigt sich, dass die Rastzeit den Besamungsaufwand und die Verzögerungszeit beeinflusst. Untersuchungen von Röhle (2016) ergaben, dass Kühe mit einer Milchleistung von < 7.000 kg eine längere Verzögerungszeit und einen höheren Besamungsaufwand haben, je länger der Kuh Rastzeit gewährt wird. Die optimale Rastzeit liegt hier bei dem 40. bis 60. Tag und unterstreicht die Aussage, dass bei niedrigeren Milchleistungen eine Verlängerung nicht sinnvoll ist. Es sollte ab diesem Zeitpunkt wieder besamt werden. Bei Kühen über 12.000 kg Milch zeigte die Untersuchung ein anderes Ergebnis. Je mehr Tage Rastzeit vorlagen, desto geringer waren die Verzögerungszeit und der Aufwand der Besamung. Ab dem 120. Laktationstag war der geringste Aufwand (hohe Non-Return-Rate) und die geringste Verzögerungszeit zu verzeichnen.

Auch in den Versuchen von Niozas et al. (2019) zeigten sich viele Vorteile, je länger man mit der Besamung wartet. Die Brunst kann leichter erkannt werden, aber auch der Erstbesamungserfolg verbessert sich. Der Anteil der nichttragenden Kühe und derer mit inaktiven Eierstöcken nahm ab, was daran liegen kann, dass die Kuh nicht mehr in einem Energiedefizit bei der Erstbesamung ist, wenn der Bedeckungszeitpunkt an die Milchleistung angepasst wird. Dies wirkt sich auch positiv auf das Kalb aus. Es sterben zudem weniger Embryonen in der frühen Phase. Dadurch ergeben sich ökonomische Vorteile, da weniger Kosten für die Besamungen entstehen. Zudem kann der Einsatz von Hormonen zur Brunststimulation deutlich verringert werden, was zu geringeren Kosten führt.

Ein großer Vorteil einer verlängerten ZKZ besteht in der längeren Nutzungsdauer der Milchkühe, die aktuell ebenfalls im Fokus steht. Dadurch, dass später besamt wird und die Kühe schneller tragend werden, bleiben sie länger im Bestand. Sie gelten nicht nach zwei bis drei erfolglosen Besamungen als unfruchtbar und gehen frühzeitig ab. Durch den größeren Abstand zwischen den Abkalbungen ist die Wahrscheinlichkeit einer Stoffwechselerkrankung oder einer Mastitis geringer. Die verringerte Anzahl an Abkalbungen führt dazu, dass die Kühe im Verlauf der Nutzungsdauer weniger häufig in die kritische Phase rund um die Geburt kommen. Der Aufwand für Geburtsüberwachung und entstehende Behandlungs- und Tierarztkosten in Zusammenhang mit der Geburt und Frühlaktation werden daher automatisch reduziert. Eingeschlossen ist auch die Eutergesundheit, da die Kühe bei einer geringeren Milchleistung trockengestellt werden. Je mehr die Zwischenkalbezeit verlängert wird, desto länger ist die Nutzungsdauer der Milchkühe (siehe Abbildung 3).

Die Lebensleistung sowie die Leistung je Lebenstag nehmen zu, wenn den Kühen eine längere Zwischenkalbezeit gewährt wird (Römer, 2016). Die höchsten Leistungen zeigten die Kühe mit einer Zwischenkalbezeit von 431 bis 460 Tagen (Abb. 4) im Vergleich zu Kühen mit kürzeren bzw. noch längeren ZKZ.

Neben der verlängerten Nutzungsdauer und höheren Lebensleistung kommen auch deutlich weniger Kälber zur Welt. Dies hat den Vorteil, dass weniger Arbeitsbelastung bei Kuh und bei den Kälbern besteht. Dadurch, dass weniger Kühe abgehen, müssen auch weniger Färsen zur Remontierung zur Verfügung gestellt werden, was die Kosten für die kostspielige Jungviehaufzucht senkt.

Die Verlängerung der ZKZ nimmt auch Einfluss auf die Persistenz der Milchkühe. Die Persistenz der Laktation kann sich durch die Verzögerung der Besamung erhöhen. In den Studien von Rudolphi (2012) wurde festgestellt, dass eine bessere Persistenz bei Kühen mit einer längeren Zwischenkalbezeit besteht.

Insgesamt lässt sich sagen, dass die Verlängerung der Zwischenkalbezeit für die Gesundheit des Tieres, der Umwelt sowie für den Landwirt Vorteile bringen kann.

Zusammenfassung

  • Verbesserung der Fruchtbarkeitskennzahlen und des Erstbesamungserfolgs
  • Längere Nutzungsdauer der Kühe (bei Einhaltung geringerer Reproduktionsraten)
  • sowie dadurch Potenzial für höhere Lebensleistungen und Lebenstagsleistungen
  • geringeres Erkrankungsrisiko durch weniger Abkalbungen
  • Weniger Arbeitsbelastung bei Kuh und Kälber

Nachteile einer verlängerten Zwischenkalbezeit

Trotz vieler Vorteile gibt es bei der Verlängerung der ZKZ auch Nachteile, die berücksichtigt werden müssen. Die verlängerte Zwischenkalbezeit ist nicht für jedes Tier geeignet. Die Entscheidung dafür oder dagegen muss tierindividuell getroffen werden, was einen höheren Aufwand bedeutet.

Um die verlängerte Zwischenkalbezeit erfolgreich umsetzen zu können, müssen die Brunsterkennung und der Besamungserfolg auf dem Betrieb grundsätzlich gut sein. Ist sie ungenügend, kann das Risiko der Abgänge aufgrund von Unfruchtbarkeit zunehmen. Hier muss mindestens ein Zyklus früher besamt werden.

Durch das Übergehen der Brunst steigt der Anteil der brünstigen Kühe in der Herde, die Verletzungsgefahr durch gegenseitiges Aufreiten erhöht sich und auch die Unruhe im Stall durch brüllende Kühe kann zunehmen.

Bei einer Verlängerung der Laktation muss bei der Fütterung insbesondere in der Spätlaktation aufgepasst werden, denn es besteht ein gesteigertes Risiko für eine Verfettung der Kühe. Hier kann nur durch ein sinnvolles Fütterungsmanagement Abhilfe geschaffen werden. Je höher die Herdenleistung und die Leistung der Einzeltiere sind, desto geringer ist das Risiko.

Was einen großen Vorteil bringen kann, kann auch ein Nachteil sein. Kälber, die zur Vermarktung fehlen, bringen ökonomische Einbußen mit sich. Besonders bei den Rassen Fleckvieh und Braunvieh kann dies von Bedeutung sein. Kreuzungskälber können am Markt mit guten Erlösen verkauft werden, dieser Anteil verringert sich dann bei einer verlängerten ZKZ. Weniger geborene Kälber führen auch zu einer Verlangsamung im Zuchtfortschritt.

Zusammenfassung

  • Keine Alternative für niedrigleistende Herden
  • Höhere Verletzungsgefahr durch häufigeres Brunstgeschehen im Stall
  • Geringere Nutzungsdauer bei mangelhafter Brunsterkennung und Besamungserfolg bei Verlängerung
  • Verfettungsgefahr der Tiere, kann aber durch sinnvolles Fütterungsmanagement verhindert werden
  • Weniger Kälber zur Vermarktung bei hohen Verkaufserlösen

Ökonomie

Bei geringen Milchleistungen ist eine kurze Zwischenkalbezeit auch aus ökonomischer Sicht anzuraten. Wenn allerdings die Voraussetzungen für eine verlängerte Zwischenkalbezeit gegeben sind, können sich durchaus Vorteile ergeben. Die Untersuchungen von Harms et al. (2018) verdeutlichen, dass je höher die Lebenstagsleistungen sind, sich auch eine Erhöhung des Deckungsbeitrags erkennen lässt. Dies liegt daran, dass sich je Tag verlängerter Zwischenkalbezeit die Lebensleistung und die Nutzungsdauer erhöhen. Zusätzlich wurde festgestellt, dass ein deutlich finanzieller Vorteil erkennbar ist, wenn bei einer Milchleistung von > 10.000 kg der Kuh 401 bis 430 Tage Zwischenkalbezeit gewährt werden (siehe Tabelle 2).

 

Im Vergleich zwischen Zwischenkalbezeiten von 400 Tagen zu Zwischenkalbezeiten von 500 Tagen hatte sich bei einem Projekt „OptiLak – Auswertungen zur optimalen Laktationsdauer bei differenzierten Milchmengen“ gezeigt, dass wenn Erlöse und Kosten zusammen betrachtet werden, sich der Deckungsbeitrag von Milchkuhbetrieben mit Zwischenkalbezeiten von 500 Tagen erhöht, solange die Reproduktionsrate bewusst verringert wird.

Auch aus der Sicht der Futterökonomie kann die verlängerte Zwischenkalbezeit empfohlen werden. Hufe et al. (2021) äußerten sich in ihrer Untersuchung dementsprechend. Sie berechneten zwar, dass der IOFC (Income over feed costs), im Deutschen „Erlös nach Futterkosten“, pro Futtertag bei 350 Tagen Zwischenkalbezeit im Vergleich zu 471 Tagen um 33,00 € /Jahr höher liegt, der IOFC je kg ECM sich allerdings wertbeständig verhält.

Wie wird der IOFC berechnet?

IOFC (€/kg) = Milchmenge (kg/Kuh) * Milcherlös (€/kg) – Futterkosten (€/Kuh)

Jungkühen eine verlängerte Zwischenkalbezeit zu gönnen, wurde schon bei den Vorteilen erwähnt. Allerdings wirkt es sich auch positiv auf die Wirtschaftlichkeit aus. Auch die geringere Kälberanzahl hat einen ökonomischen Vorteil. Es werden weniger Kälberplätze und auch Stallplätze benötigt. Das spart Geld und Arbeitszeit. Allerdings sollte hier nicht an der Intensität des Handlings mit den verbliebenen Kälbern gespart werden. Bei Fleckvieh- und Braunvieh-Herden können ökonomische Einbußen entstehen, wenn weniger Kälber geboren werden, da sie höhere Kälber- und Kuhschlachtpreise haben.

Zusammenfassung

  • die tierindividuelle Anpassung der Zwischenkalbezeit an Milchleistung entscheidet über den ökomischen Erfolg
  • aus futterökonomischer Sicht ist die Verlängerung zu empfehlen
  • weniger Stallplätze & Kälberplätze notwendig
  • weniger Arbeitskraft, da weniger Kälber

Verlängerte Zwischenkalbezeit aus züchterischer Sicht

Das Merkmal verlängerte Zwischenkalbezeit ist in der direkten züchterischen Bearbeitung schwierig, da die Zwischenkalbezeit selbst von einer Vielzahl an Managementfaktoren und einzelbetrieblicher oder tierindividueller Entscheidungen abhängig ist. Eine der wichtigsten Voraussetzungen für eine erfolgreiche Etablierung von verlängerten Zwischenkalbezeiten ist eine gute Persistenz der Kühe. Bisher gibt es in Deutschland erst für Fleckvieh und Braunvieh einen Persistenz-Zuchtwert, mit dem gezielt auf ein langsameres Absinken der Laktationskurve gezüchtet werden kann. Dieser fließt mit 3 % in die Gesamtzuchtwerte beider Rassen ein.

Die Herausforderung bei der Entwicklung eines Persistenz-Zuchtwertes ist, dass es verschiedene Einflussgrößen auf die Milchleistung und Persistenz einer Kuh gibt. So sinkt z. B. die Milchleistung bei einer trächtigen Kuh schneller ab. Erkrankungen können ebenfalls zu einem Rückgang der Milchleistung führen. Daher müssen zur Entwicklung eines Persistenz-Zuchtwertes vor allem Laktationskurven ohne einen Trächtigkeitseinfluss betrachtet werden. Wenn eine Kuh erst relativ spät tragend geworden ist, kann dies an Fruchtbarkeitsproblemen oder auch Erkrankungen liegen. Es werden somit sowohl Laktationsdaten benötigt, die zumindest annähernd eine ganze Laktation abbilden und keine Trächtigkeit umfassen, als auch Laktationen, die einen Trächtigkeitseinfluss haben. Basierend auf einem Vergleich der beiden Kurven lässt sich der Einfluss einer Trächtigkeit auf die Milchleistung ermitteln, um diesen bei der Schätzung von Persistenz-Zuchtwerten für Laktationskurven mit einem Trächtigkeitseinfluss herausrechnen zu können. Dabei zeigen Auswertungen, dass mit zunehmender Laktationslänge die Unterschiede zwischen Kühen in der Persistenz zwischen Kühen deutlicher werden und die Persistenz von erstlaktierenden Kühen am höchsten ist. Bei den Milchrassen wird zurzeit intensiv an der Entwicklung eines Persistenz-Zuchtwertes gearbeitet, wobei dem Trächtigkeitseinfluss eine wichtige Rolle zukommt.

Ein Persistenz-Zuchtwert der ökonomisch ausgerichtet ist, muss die Fett- und Eiweißmenge als Basis haben. Es bestehen gleichzeitig negative genetische Beziehungen zwischen Persistenz, Fruchtbarkeit und Nutzungsdauer einerseits und Milch- und Fleischleistung andererseits.

Zur Schätzung eines Persistenz-Zuchtwertes für die reinen Milchrassen sind jedoch noch weitere Auswertungen nötig. Erst dann lässt sich der Zusammenhang zwischen verlängerter Zwischenkalbezeit und Milchleistung in den Folgelaktationen sowie der genaue Einfluss auf die Nutzungsdauer darlegen.

Die Verlangsamung des Zuchtfortschritts durch weniger Kälber ist zwar eine negative Auswirkung, jedoch wird deren Wertigkeit im Gesamtkomplex als eher gering eingeschätzt.

Zusammenfassung

  • Direkte Zucht auf eine verlängerte Zwischenkalbezeit ist schwierig, da sie von tierindividuellen Managementmaßnahmen beeinflusst ist
  • Basis für eine verlängerte Zwischenkalbezeit ist eine gute Persistenz in der Milchleistung
  • Persistenz-Zuchtwerte gibt es bereits bei Fleckvieh und Braunvieh, bei den anderen Milchrassen sind sie derzeit in der Entwicklung
  • Persistenz-Zuchtwerte sind schwierig zu schätzen, da Trächtigkeiten und Erkrankungen die Milchleistung negativ beeinflussen können und es wenige vollständige Laktationskurven ohne diese Einflüsse gibt
  • Die beste Persistenz haben Erstlaktierende

Die verlängerte Zwischenkalbezeit hat eindeutig Potential in der heutigen Nutztierhaltung. Das zeigen die praktischen Erfahrungen (zu hören im Podcast des Netzwerks Fokus Tierwohl) sowie die wissenschaftlichen Untersuchungen in jeder Hinsicht. Es stehen Vorteile für die Gesundheit der Kühe, aber auch Vorteile für den Landwirt selbst im Vordergrund. Wird tierindividuell entschieden und passt das System zum eigenen Betrieb, steht die vZKZ für eine Verbesserung der Milchviehhaltung und trägt zur Erhöhung der Nutzungsdauer und Verbesserung der Tiergesundheit sowie des Tierwohls bei. Die Kennzahlen der 400 Tage-Grenze für eine gute Fruchtbarkeit bei hochleistenden Kühen muss aus allen Köpfen verschwinden, da diese noch auf die niedrigeren Milchleistungen ausgerichtet sind.

Die verlängerte Zwischenkalbezeit beansprucht allerdings einen gewissen Mehraufwand durch intensivere Tierbeobachtung. Zusätzlich ist Geduld bei Landwirten gefragt, denn den Kühen muss mehr Zeit gegeben werden.

Neueste praktische Ergebnisse werden in den nächsten Jahren auch aus dem Wissen-Dialog-Praxis-Projekt „Verlängerung der Laktationsperiode und selektives Trockenstellen zur Minimierung des Antibiotikaeinsatzes bei Milchkühen (VerLak)“ entstehen. Ziel dieses Projektes ist es, praktische Erfahrungen zu generieren und die Anwendung unter Praxisbedingungen zu evaluieren.

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Internetquellen

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