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Umgang mit kranken Tieren

5.1 Allgemeine Maßnahmen

  • mehrmals am Tag intensive Tierkontrolle mit Überprüfung des Allgemeinbefindens der Tiere; Stichworte: Temperatur messen, Bewegung innerhalb der Box, Stehvermögen, Wiederkauen
  • Kontrolle und Animation für Wasser- und Futteraufnahme
  • Animation zum Aufstehen
  • bei Verschlechterung des Allgemeinzustands: erneuter klinischer Untersuchungsgang am Tier und Hinzuziehung des Tierarztes
  • medizinische Versorgung (z. B. Medikamentengabe oder Verbandwechsel)

5.2 Therapie/Behandlung

Welche Aspekte sind bei Therapie- und Behandlungsmaßnahmen zu berücksichtigen?

  • Eine Behandlung ist immer notwendig.
  • Diagnosestellung und Behandlung durch den Tierarzt.
  • Grundsätzlich besteht bei schmerzhaften Eingriffen die Verpflichtung zur Schmerzausschaltung durch Betäubung. Diese ist von einem Tierarzt durchzuführen (z. B. beim operativen Eingriff). Ausnahmen von der Betäubungsverpflichtung regelt der § 5 des TSchG.
  • Behandlungen wie die Reinigung und Desinfektion einfacher Wunden, das Anlegen oder Wechseln eines Verbands, aber auch Injektionen können durch die den Tierhalter durchgeführt werden. Dies setzt allerdings eine Einweisung durch den Tierarzt und eine Kontrolle der Umsetzung voraus.
  • Darüber hinaus sind solche Behandlungen ebenfalls zu dokumentieren.
  • Wurde zunächst kein Tierarzt hinzugezogen und stellt sich nicht innerhalb von 1 – 2 Tagen eine Verbesserung ein, sollte spätestens jetzt tierärztlicher Rat eingeholt werden.
  • Behandlungsanweisungen des Tierarztes sind immer vollständig umzusetzen.
  • Einem Tier aus wirtschaftlichen Gründen eine notwendige Behandlung vorzuenthalten ist nicht rechtmäßig.

5.2.1 Wundversorgung

Auch Tierhalter sollten zur Durchführung einer Wundversorgung in der Lage sein. Deswegen sollte in der Notfallapotheke genügend Verbandsmaterial und weiteres Zubehör zu Verfügung stehen.

Ausstattung der Notfallapotheke für Verletzungen:

  • saubere Einweghandschuhe
  • für eine Wunddesinfektion: Präparate mit Jod
  • Einwegrasierer oder saubere Schermaschine zur Haarentfernung, Schere
  • Kompressen
  • Klebekreppbinden
  • Mullwatte
  • Gefrierbeutelklemmen zur Stillung von pulsierenden Wunden/Gefäßen
  • Nach Rücksprache mit dem Tierarzt: lokale Sprays, Salben

Zuerst sollte eingeschätzt werden, wie stark die Verletzung ist und ob ein Tierarzt hinzuzuziehen ist. Erste Hilfe-Maßnahmen bei größeren Verletzungen können aber durch den Tierhalter selbst durchgeführt werden. Hier gelten die Prinzipien der ersten Hilfe aus dem Humanbereich. Eine generelle Unterweisung zur Durchführung von Erste-Hilfe-Maßnahmen durch den Tierarzt ist ratsam. Mit provisorischen Wundabdeckungen kann im Bedarfsfall auch die Zeit überbrückt werden, bis der Tierarzt eintrifft.

Einschätzung der Schwere der Verletzung:

  • Wo genau ist die Verletzung?
    • Empfindliche Stellen sind der Bauch, das Lungenfeld, die Gelenke und das umliegende Gewebe, Euter, Vulva
  • Wie groß ist die Verletzung?
    • Kleinere Wunden werden meist als nicht so gravierend eingestuft wie größere. ACHTUNG: auch kleinere Wunden können in die Tiefe gehen und lebensbedrohlich sein
  • Welches Wundsekret tritt aus?
    • Tritt Blut oder Gelenksflüssigkeit, oder Eiter aus?
    • Wenn Blut austritt: ist es eine pulsierende Verletzung oder eine Sickerblutung?

Erste Hilfe Maßnahmen (mit sauberen Einweghandschuhen):

  1. Reinigung der Wundumgebung:
    • Entfernung der Haare
    • Säubern der umliegenden Haare
  2. Spülung der Wunde mit Wasser / isotonische Kochsalzlösung
  3. Desinfizieren mit Jod und Mullkompressen
  4. Wundabdeckung durch Pflaster oder Klebekreppbinden
  5. Tägliche Wundkontrolle und Verbandswechsel nach Erforderlichkeit
  6. Tägliche Kontrolle des Allgemeinbefindens des Tieres

Wenn die tägliche Tierkontrolle durchgeführt und die Wunde kontrolliert wird, muss auf Symptome einer Entzündung geachtet werden. Sollte keine Verbesserung auftreten, ist tierärztlicher Rat einzuholen.

Symptome einer Entzündung:

  • Anschwellen der Wunde
  • Rötung
  • Starke Wärme
  • Schmerzempfindlichkeit
  • Störung des Allgemeinbefindens z. B. Fieber
  • Störung der Funktion des Gewebes z. B. beim Euterentzündung: Flocken
  • Knistern des Unterhautgewebes beim Betasten

5.2.2 Schmerzbehandlung

Aus Sicht des Tierschutzes sollten Schmerzen immer gelindert werden. Da Präparate zur Schmerztherapie verschreibungspflichtig sind, entscheidet der Tierarzt im Rahmen der klinischen Untersuchung, ob und wenn ja, welche Therapiemaßnahmen einzuleiten sind. Grundsätzlich bietet ein optimales Schmerzmanagement verschiedene Vorteile. Das Tier erholt sich in der Regel schneller, das Allgemeinbefinden wird rascher wiederhergestellt, Futter- und Wasseraufnahme normalisieren sich. Die Wundheilung kann ungestört ablaufen, das Immunsystem kann sich rascher wieder erholen und die durch die Erkrankung in Mitleidenschaft gezogene Leistungsfähigkeit – beispielsweise die Milchleistung – stellt sich schneller wieder ein.

5.2.3 Festliegende Kühe richtig versorgen

Nach Überprüfung des Allgemeinzustands und Feststellung, ob das Tier bei Bewusstsein ist, ist bei festliegenden Tieren die Überführung in eine Genesungsbucht wichtig. Die Tiere müssen unverzüglich von der Herde getrennt werden, damit keine weiteren Verletzungen entstehen. Sollte die Überführung nicht möglich sein, sollte das festliegende Tier an Ort und Stelle auf eine weiche Unterlage gebettet werden. In dieser Situation ist es dann trotz allem sinnvoll, die Herde von dem festliegenden Tier fernzuhalten.

5.2.3.1 Erste Maßnahmen bei festliegenden Tieren
  1. Wenn Tiere festliegen, Tierarzt kontaktieren
  2. Erstversorgung durch Landwirt:
    • Sicherung des Tieres zum Schutz vor anderen Tieren, Fußfessel (s. Kapitel 5.2.3.6) anlegen, Wasser anbieten, Tier auf weiche Unterlage betten
  3. Nicht versuchen, das Tier alleine anzuheben. Es sollte auf den Tierarzt gewartet werden. Auftreibeversuche können dem Tierarzt sogar die spätere Untersuchung erschweren, da sich das Tier unter Umständen zu stark anstrengt. Zudem sollten festliegende Tiere keinesfalls aufgetrieben werden, bevor schwerwiegende Verletzungen des Bewegungsapparates ausgeschlossen worden sind.

⇒ Erstversorgung durchführen und auf Tierarzt warten

5.2.3.2 Mögliche Ursachen für Festliegen

Tier kann nicht selbstständig aufstehen:

  • Verletzungen:
    • Muskelschäden (z. B. Muskelriss)
    • Nervenschäden (z. B. Rückenmarksverletzung, Lähmung von Nerven der Hinter- bzw. Vordergliedmaße)
    • Schäden an Knochen (z. B. Brüche) oder Gelenken (z. B. Hüftgelenk ausgekugelt)
  • Störungen im Mineralstoffhaushalt:
    • z. B. Calciummangel
  • Hochgradige allgemeine Erkrankungen:
    • z. B. eine schwere Euterentzündung oder eine hochgradige Stoffwechselsentgleisung (Azidose oder Ketose), Vergiftung

Tier könnte aufstehen, will aber nicht:

  • Schmerzzustände:
    • Gebärmutterentzündung, Euterentzündung, Klauenrehe, Bauchfellentzündung, Lungenentzündung, Labmagenverlagerung, verschluckter Fremdkörper oder andere

Diagnose durch Tierarzt

Durch eine klinische Untersuchung kann der Tierarzt die Ursache für das Festliegen feststellen. Gegebenenfalls sind weitere Untersuchungen wie das Anheben des Tieres oder Diagnostik von Blut notwendig.

5.2.3.3 Festliegepositionen

Tier liegt in stabiler Brustlage oder flacher Seitenlage oder mit angehobenem, auf den Boden gelegten oder an den Körper gelegten Kopf (“Kälberposition“).

5.2.3.4 Prognose
  • Prognose gut: Die Kuh frisst, säuft und wechselt selbstständig die Seite auf der sie liegt.
  • Die Prognose ist günstig: Mit einer entsprechenden Behandlung und guter Pflege kann die Kuh unter stetiger Rücksprache mit dem Tierarzt überwacht und gepflegt werden. Es besteht durchaus Aussicht auf Erfolg.
  • Prognose schlecht: Trotz Behandlung befindet sich die Kuh in Seitenlage oder wendet sich nicht selbstständig oder frisst und säuft nicht. Die Prognose ist ungünstig und tierschutzrelevant und erfordert einen extremen Arbeitsaufwand. Eine Nottötung ist zu erwägen.
5.2.3.5 Entscheidungsbaum für festliegende Kühe

In der folgenden Abbildung ist ein Entscheidungsbaum für festliegende Kühe abgebildet.

Entscheidungsbaum zum Download

5.2.3.6 Ver-/ Umlagern, Aufstehhilfen

Damit das Tier bei Aufstehversuchen einen sicheren Halt findet, muss der Untergrund rutschfest, trittsicher und möglichst verformbar sein. Geeignet sind gut eingestreute oder mit Sand gefüllte Genesungsboxen oder bei vorhandenem Witterungsschutz (z. B. durch Weidezelt) auch gewachsener Boden, beispielsweise auf der Weide.

Wenn ein Rind an einen passenden Ort transportiert werden muss, eignet sich beispielsweise eine Gummimatte als Schlitten. Diese muss mindestens der Größe des Tieres entsprechen, damit es ganz darauf aufliegt und es sich beim Transport keine Schürfwunden zuzieht. Grundsätzlich muss die Unterlage so beschaffen sein, dass sie sich beim Ziehen nicht auflöst oder zerreißt.

Wenn sich ein Rind nicht selbstständig umlagert oder die Position wechselt, sollte es mindestens drei- bis viermal täglich umgelagert bzw. gedreht werden. Durch Positionierung von Strohballen kann die erwünschte Brust-Bauch-Lage unterstützt werden.

Fußfessel (Vergrittungsgeschirr)

Wenn ein Tier weiterhin versucht aufzustehen, aber noch nicht zum Stehen kommt, sollten zunächst die Hinterbeine durch Fußfesseln (Vergrittungsgeschirr) zusammengebunden werden. Die Fußfesseln bestehen aus zwei Manschetten (Leder oder Nylon), die miteinander verbunden sind. Solche Fußfesseln geben dem Tier zusätzlichen Halt bei Aufstehversuchen und verhindern weitergehende Verletzungen durch Ausrutschen (Gefahr eines Muskelrisses).

Aufstehhilfen zur Unterstützung des Aufstehvorganges

Beckenklammern

Diese bestehen aus geraden oder gebogenen Bügeln, die eine U-Form bilden. Die Bügel werden über die Hüfthöcker gelegt und mit einer Gewindestange oder hydraulisch zusammengezogen. Anschließend kann das Tier mittels Flaschenzug, Kettenzug oder Frontlader angehoben werden. Eine Beckenklammer sollte nur im äußersten Notfall, behutsam und so kurz wie möglich eingesetzt werden, da sie auch schwere Verletzungen (Einblutungen in den Muskel, Muskelschäden) verursachen kann. Eine Kuh sollte nie über eine längere Zeit in der Beckenklammer hängen. Kann die Kuh die aufrechte Position (Belastung der Gliedmaßen) alleine nicht halten, sollte sie besser nicht auf diese Weise hochgehoben werden. Ein Anheben mit der Beckenklammer sollte unter tierärztlicher Aufsicht erfolgen, da für die Diagnosestellung eine weitere Untersuchung des Tieres im Anhebeversuch möglich und notwendig ist.

Hebegeschirre

Sie bestehen entweder aus einem Geflecht breiter Gurte oder aus einer stabilen Plane, die unter den Bauch des Tieres gebracht werden. Zusätzliche Gurte stabilisieren das Vorder- bzw. das Hinterteil des Tieres, so dass es nicht aus dem „Bauchgürtel“ fallen kann. Auch hierbei erfolgt das Aufheben mittels Kettenzug oder Frontlader.

Hebestände

Eine weitere Möglichkeit zum Aufheben festliegender Tiere ist der Einsatz von Hebeständen. Sie bestehen aus einem zerlegbaren Standgerüst, das über dem festliegenden Rind oder der Kuh aufgebaut wird. Mit mehreren Gurten, die unter dem Tier durchgezogen werden, wird das Tier angehoben und im Stehen gehalten. Trotz angelegter Gurte ist das Euter frei zugänglich, so dass ein normales Melken möglich ist. Sinnvoll ist ein Durchziehhaken, mit dem die Hebegurte einfach und schonend unter dem Tier durchgezogen werden können.

Hebekissen

Hebekissen werden beispielsweise von Feuerwehren zum Anheben von Fahrzeugen eingesetzt, um darunterliegende Personen zu bergen. Solche Hebekissen wurden eine Zeit lang zum Aufheben von Tieren angeboten. Das festliegende Tier wird auf das Hebekissen gewälzt. Anschließend wird das Kissen mit Druckluft gefüllt und so das Tier angehoben.

Wasserbäder

Es gibt verschiedene Wasserbad-Systeme: aufblasbare aus Gummi oder feste aus Metall. Da die Kosten für solche Systeme vergleichsweise hoch sind, sind diese in der landwirtschaftlichen Praxis sehr selten anzutreffen.

5.2.4 Kühe drenchen

Nehmen erkrankte Tiere zu wenig Wasser auf, kann dies den Gesundheitszustand noch weiter verschlechtern. Es kann sogar zum Kreislaufversagen kommen. Anzeichen bei ausgetrockneten Rindern sind ein reduzierter Spannungszustand der Haut: wenn man seitlich am Hals oder am Augenlid eine Hautfalte bildet, bleibt diese bestehen. Über die Geschwindigkeit, mit welcher die Hautfalte völlig verstreicht, lässt sich auf den Hydrationszustand des Tieres schließen. Weiterhin können die Augen tiefer liegen und wie „eingesunken“ wirken. In solchen Fällen sollte Wasser verabreicht werden. Bei dem als Drenchen bezeichneten Verfahren wird Flüssigkeit in den Pansen verabreicht. Wenn zuvor noch nie gedrencht wurde, sollte beim ersten Drenchen ein Tierarzt vor Ort sein. Bei Fehlern kann es zu schwerwiegenden Schädigungen des Rindes kommen, indem beispielsweise Wasser unbeabsichtigt in die Lunge gelangt oder die Speiseröhre verletzt wird.

Wie schonend gedrencht wird, erklärt Dipl. Tierarzt Georg Stieg von DR.VET - Die Tierärzte in diesem Video: https://www.youtube.com/watch?v=NEgn8v8mdME

Hinweis: Es sind verschiedene Modelle zum Drenchen am Markt vorhanden. Bei Erstbenutzung kann der Tierarzt spezielle Hinweise geben.