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Hitzestress im Stall? Erkennen und Maßnahmen

Stand: Juni 2024

  • Dr. Gundula Hoffmann, Leibniz-Institut für Agrartechnik und Bioökonomie e.V. (ATB)
  • Dr. Hans-Joachim Herrmann, Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen
  • Annette Reiners, Landwirtschaftskammer Bremen
  • Olaf Tober, Landesforschungsanstalt Mecklenburg-Vorpommern
  • Johannes Zahner, Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft

  • Caroline Leubner, Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen

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Hitzestress bei Milchkühen - archiviert 240624 zugusten id1366

Hitzestress bei Milchkühen

Hitzestress bei Milchkühen

Umgang mit Hitzestress bei Mutterkühen

Podcast: Hitzestress bei Rindern

Aus den Veranstaltungen: Hitzestress im Milchviehstall

Förderprojekte: FitForCows

Ein im Zuge des Klimawandels weiterer Temperaturanstieg in den kommenden Jahren macht den Umgang mit Hitzestress bei Milchkühen zu einem wichtigen Thema. Die Auswirkungen auf Leistung und Wohlbefinden sind sehr vielfältig. Unsere modernen Milchrindrassen stoßen immer öfter an ihre Grenzen der Thermoregulation und leiden unter Hitzestress. Dies liegt daran, dass aufgrund der Klimaveränderungen immer stärkere Wetterextreme wie Hitzeperioden entstehen. Zusätzlich ist aber auch die rasante Entwicklung der Milchleistung über die Jahre und Jahrzehnte ein entscheidender Grund.

Thermoregulation der Milchkuh

Um die Thermoregulation der Milchkuh und einen beginnenden Hitzestress zu verstehen, ist es wichtig zu wissen, dass es für die Tiere mehrere Thermozonen gibt, die eine Rolle spielen.

Wichtig zu nennen ist die Optimalzone und die Thermoneutrale Zone. Die Optimalzone ist die Temperaturspanne, in der weder Kälte noch Wärme empfunden wird. Milchkühe sind sehr kältetolerant, aber nicht stark wärmebelastbar. Die Wohlfühltemperatur der Kühe wurde früher in einem Temperaturbereich von 4 bis 16°C eingeordnet. Bei diesen damaligen Untersuchungen waren allerdings die Milchleistungen deutlich geringer (25 kg/Tag). Heute weiß man, dass die Optimalzone bei Kühen mit einer höheren Leistung (heute bis zu 50 kg/Tag und mehr) deutlich unter dieser Spanne liegt. Der optimale Temperaturbereich unterscheidet sich für jedes Individuum u.a. in Abhängigkeit der aktuellen Milchleistung. Je höher die Milchleistung ist, desto niedriger liegt der Optimalbereich, da durch höhere Stoffwechselaktivität das Tier selbst große Mengen an Wärme produziert und somit empfindlicher gegenüber hoher Umgebungstemperatur reagiert (siehe Abb. 1). Die Thermoneutrale Zone ist nach oben und unten weiter gefasst als die Optimalzone. Wenn diese Zone unter- oder überschritten wird (untere/obere kritische Temperatur), finden physiologische Anpassungsmechanismen statt, um die Körpertemperatur konstant zu halten.

Bei Hitzebelastung regulieren die Milchkühe in der thermoneutralen Zone ihre Körpertemperatur durch Wärmeabgabe. Dazu stehen folgende Mechanismen zur Verfügung (Abb. 2):

Verdunstung über Atmung und Haut

Bei der Verdunstung wird der Umgebung Energie entzogen.

Atmung: Luft wird eingeatmet, erwärmt und mit Wasserdampf gesättigt, die beim Ausatmen den Organismus verlässt. Dadurch wird die Energie abgegeben. Je höher die Temperatur, desto mehr wird geatmet (sogenanntes Pumpen oder Hecheln), wodurch mehr Energie abgegeben wird.

Haut: Kühe schwitzen relativ wenig, da die Schweißdrüsen aufgrund einer schlechteren Blutversorgung nur eine geringere Effizienz erreichen und nur an bestimmten Körperstellen Schweißdrüsen überhaupt zu finden sind.

Übergang von vorbeiströmenden Luft (Strömung)

Luftbewegung führt zum Abtransport von erwärmter Luft an der Hautoberfläche.

Strahlung

Wärmeabgabe erfolgt immer vom stärkeren auf den niedrigeren Strahler (abhängig von Oberflächentemperatur, Größe der strahlenden Fläche, der Lage zueinander und der Eigenschaft).

Leitung

direkter Kontakt der Hautoberfläche mit anderen kühleren Oberflächen (Wärmeabgabe).

Hitzestress im Stall

Sobald die thermoneutrale Zone (obere kritische Temperatur) überschritten wird, versucht die Milchkuh mit den genannten Anpassungsmechanismen und einem steigenden Aufwand an Energie ihre überschüssige Wärme an die Umgebung abzugeben. Bei zu hoher Temperatur und relativer Luftfeuchte können die Kühe die selbst erzeugte Stoffwechselwärme nicht mehr ausreichend an die Umgebung abgeben bzw. müssen auf stärkere Verhaltensreaktionen (z. B. erhöhte Atemfrequenz von mehr als 85 pro Minute (Collier et al., 2012)) ausweichen. Dies ist eine belastende Situation für das Tier, welches als Hitzestress bezeichnet wird. Um das Zusammenspiel von Temperatur und Luftfeuchtigkeit besser einzuordnen, wurde der Temperatur-Luftfeuchte-Index entwickelt (THI), der die zu erwartenden Auswirkungen auf die Milchkuh darstellt. Ab wann eine Kuh allerdings in Hitzestress gerät, ist von vielen Faktoren abhängig. Neben den tierbezogenen Faktoren wie Milchleistung, Trächtigkeitsstadium und Alter, spielen die Lufttemperatur und weitere Klimadaten wie Luftgeschwindigkeit, Strahlungswärme, Luftwechsel und Luftqualität eine tragende Rolle.

Wie lässt sich Hitzestress erkennen?

Unter Hitzestress leidende Tiere können anhand von Tierbeobachtungen erkannt werden. Es gibt unterschiedliche Anpassungsreaktionen:

  • Erhöhte Atemfrequenz
  • Anstieg der Körpertemperatur
  • Verringerung der Futteraufnahme
  • Sinkende Wiederkauaktivität
  • Anstieg der Wasseraufnahme
  • Mehr Stehen anstatt Liegen
  • Aufsuchen von kühleren Orten
  • Schwitzen
  • Maulatmung

Um Hitzestress zu erkennen, hat sich der sogenannte Panting Score (Wärmehecheln) als eine gute Möglichkeit erwiesen, um durch tierspezifische Indikatoren Hitzestress zu erkennen. Hierbei werden die Atemzüge pro Minute gezählt und schließen somit auf das Ausmaß des Hitzestresses. Denn die Erhöhung der Atemfrequenz ist eines der ersten Anzeichen, bevor die Körpertemperatur ansteigt. Zusätzliche Merkmale wie Speichelfluss, Maulatmung und Körperhaltung werden hierbei berücksichtigt.

Bei Überschreiten der oberen kritischen Temperatur wird die Körpertemperatur erhöht, um eine Wärmeabgabe in die Umgebung zu ermöglichen. Ab 30°C mit hoher Luftfeuchte steigt die Körpertemperatur immer weiter an. Ab 42 bis 45°C besteht ein lebensbedrohlicher Hitzschlag, der zum Hitzetod führt. Untersuchungen von Tober (2020) zeigen, dass mit Hilfe von Pansenboli die Vormagentemperatur gemessen werden kann, die in Abhängigkeit mit der Außentemperatur steigt.

Auch Veränderungen im Tierverhalten lassen sich wahrnehmen. Die Tiere liegen weniger und stehen mehr in den Gängen, um so den Wärmeübergang an die Luft zu maximieren. Auch kühlere Orte werden aufgesucht, um sich Abhilfe von der Hitze zu schaffen. Die Aufnahme von Futter wird verringert und in die Abend- und Nachtstunden verlagert. Wasser hingegen wird vermehrt aufgenommen. An heißeren Tagen können die Tiere bis zu 150 l Wasser aufnehmen (Brade, 2013).

Folgen für die Milchkuh

Hitzestress kann viele negative Auswirkungen für die Milchkuh und gleichzeitig für den Landwirt haben. Darin eingeschlossen ist die Beeinflussung von Tierwohl, Milchleistung, aber auch ökonomische Verluste für den Landwirt bis hin zu 400 € pro Kuh und Jahr.

Wie bereits erwähnt, verringern die Kühe ihre Futteraufnahme, um ihren Stoffwechsel zu entlasten und somit ihre eigene Wärmeproduktion zu reduzieren. Besonders Grobfutter wird eher gemieden, was die Wiederkauaktivität beeinträchtigt. Insgesamt nimmt die Milchleistung ab, weil weniger Energie für die Milchbildung zur Verfügung steht. Durch den Hitzestress sinken neben der Milchmenge auch die Gehalte an den Milchinhaltsstoffen Eiweiß und Fett.

Die Absenkung der Milchleistung ist jedoch nicht direkt erkennbar, da die Abnahme erst mit ein paar Tagen Zeitverzug eintritt. Zudem zeigt sich kaum Veränderung im Tank, weil sich auf Herdensicht kaum ein Unterschied erkennen lässt. Auch die Anhebung der Körpertemperatur und die Erhöhung des Erhaltungsbedarfs führen zu einer Reduktion der Milchmenge. Kühe, die sich in der Hoch- bzw. Frühlaktation befinden, zeigen einen deutlicheren Leistungsabfall als Kühe in späteren Laktationsabschnitten.

Die Fruchtbarkeit reagiert sensibler auf Hitzestress als die Leistung. Bei höheren Temperaturen sind die Brunstanzeichen oft weniger deutlich erkennbar, wodurch weniger Besamungen stattfinden und der Besamungserfolg abnimmt. Zu weiteren Folgen gehört die Nachgeburtsverhaltung, die Frischabkalbermastitis sowie das erhöhte Risiko von Totgeburten und Kälbersterblichkeit.

Besonders während der Trockenstehphase kommt es zu negativen Folgen. Vermehrte Stoffwechselprobleme während der Transitphase, schlechtere Kolostrumqualität/-quantität und geringere Milchleistung in der Folgelaktation können auftreten. Hitzestress in der Trächtigkeit beeinflusst die Leistung der nachfolgenden Generationen negativ (Töchter, Enkeltöchter). Neben geringeren Geburtsgewichten zeigen die Tiere eine reduzierte Milchleistung und Lebensdauer auf, als Tiere, deren Mütter nicht unter Hitzestress gelitten haben (Laporta et al. 2020).

Die durch den Hitzestress veränderten Verhaltensweisen wirken sich auf die Gesundheit der Tiere aus. Da die Kühe häufiger stehen, sinkt die Liegedauer. Dies hat zur Folge, dass die Klauengesundheit leidet und mehr Unruhe im Stall herrscht.

Reduzierung von Hitzestress

Die Belastung der Tiere durch hohe Temperaturen in Verbindung mit anderen Faktoren kann zu erheblichen Einschränkungen des Wohlbefindens führen. Die rechtzeitige Einschätzung der Situation und die Umsetzung von Maßnahmen zur Reduzierung der Belastung in den Ställen sind von großer Bedeutung.

Für die rechtzeitige Einschätzung der Situation ist es hilfreich neben einer intensiven Tierbeobachtung, Anzeichen auf Hitzestress sowie Temperatur und Luftfeuchte im Aufenthaltsbereich der Kühe kontinuierlich zu erfassen und grenzwertabhängige Sensorsysteme zu installieren.

Hitzestress kann durch mehrere Maßnahmen reduziert werden. Wichtig sind hier die baulichen Gegebenheiten und die Kühlungstechnik im Stall.

5.1 Baulich-technisch

In bestehenden Anlagen können Öffnungen der Seitenwände die natürliche Luftzirkulation begünstigen. Dies ist nicht nur wirksam gegen den Hitzestress, sondern reduziert auch die Schadgaskonzentration im Stall. Bei Neubauten sollte dies direkt in der Planung berücksichtigt werden. Zu beachten ist allerdings, dass feste Einbauten im Stall, wie z. B. das Melkhaus, die Querlüftung einschränken können.

Die Ausrichtung der Gebäude und der Standort können zudem den Wärmeabtransport durch Luftaustausch begünstigen. Verwendete Hubfenster oder Curtains sollten je nach Wetterlage bereits bei einstelligen Temperaturen komplett geöffnet werden, um den bestmöglichen Luftaustausch zu erhalten. Je nach Wetterlage können automatische Steuerungen diese schnell schließen oder öffnen. Ventilatoren an den Außenwänden bringen Frischluft von außen in den Stall. Allerdings sollte nicht nur auf die Zuluft, sondern auch auf die Abluft geachtet werden.

Der Dachaufbau hat einen starken Einfluss auf den Wärmeeintrag im Stall. Eine Dämmung reduziert diesen maßgeblich. Ungedämmte Dächer hingegen wärmen sich stark auf und begünstigen den Eintrag. Auch bei Lichtplatten sollte Vorsicht geboten werden. Diese sollten nicht auf der Ost-, West- und Südseite installiert werden. Es entsteht zwar viel Licht im Stall, doch der Stall heizt sich innen mehr auf. Gründächer oder Dachaufbauten wie Photovoltaik-Anlagen haben einen positiven Einfluss auf das Klima im Stall.

Ab einer Umgebungstemperatur von spätestens 18 Grad muss dringend den Tieren aktive Abkühlung geschaffen werden. Die kritische Temperatur ab der eine Kühlung notwendig ist, ist allerdings auch von der Gegebenheit des Stalles (Stallbau, Stallausrichtung) sowie von den Tieren selber abhängig. Bei hochleistenden Tieren sollte schon bei deutlich kühleren Temperaturen eingeschritten werden. Die Kühlung ist in allen Gruppen wichtig, insbesondere bei den Trockenstehern. Wenn es sich im Stall realisieren lässt, wird eine unterschiedliche Kühlung je nach Gruppe dringend empfohlen.

5.2 Ventilatoren

Um die Tiere aktiv abzukühlen, werden häufig Ventilatoren eingesetzt. Sie unterstützen durch Luftbewegung die Wärmeabgabe der Kühe. Um dies zu erreichen, muss eine Luftgeschwindigkeit am Tier von mindestens 2 m/s erreicht werden. Ventilatoren mit Stufen-Systemen sollten immer auf höchster Stufe laufen, da bei geringen Drehzahlen die Luftgeschwindigkeit am Tier nicht ausreichend ankommt. Die Anlagen sind durch Sensoren zu automatisieren, um den geeigneten Tempertaturansprüchen der Tiere zum frühsten Zeitpunkt gerecht zu werden.

Hinweis: Regelbare Deckenventilatoren können allerdings schon ab 5 °C mit geringer Drehzahl anfangen, um Luftbewegung im Stall zu fördern und den Luftwechsel zu gewährleisten.

Großraumdeckenventilatoren, vertikale Ventilatoren und Schlauchbelüftungen

Großraumdeckenventilatoren sind in der Praxis anzutreffen, doch oft variiert ihre Luftbewegung stark. Der Luftstrom wird kegelförmig nach unten geleitet. Dort ergeben sich Luftgeschwindigkeiten von über 2 m/s. Allerdings nehmen diese Richtung Stallwand sehr schnell ab. Daher sollten auch Großraumdeckenventilatoren in ausreichender Menge und in korrekter Platzierung vorzugsweise über den Liegeboxen installiert werden. Eine alleinige Aufhängung über dem Futtertisch ist nicht zielführend. Der Luftstrom gelangt nicht ans Tier, sondern trocknet z. B. nur das Futter an. Auch der seitliche Winddruck bei freigelüfteten Ställen wirkt sich negativ aus, wodurch eine ausreichende Luftgeschwindigkeit am Tier oft nicht erreicht wird. Deckenventilatoren werden auch gerne für kleinere und geschlossene Räume, wie z. B. dem Vorwartebereich empfohlen.

Vertikale Ventilatoren erreichen auch in freigelüfteten Ställen gute Luftgeschwindigkeiten. Die Anzahl der zu installierenden Ventilatoren ist abhängig von deren technischer Wurfweite, der Stalllänge und der Leistung der jeweiligen Kuhgruppe. Bei der Längslüftung sollten die Ventilatoren, je nach Wurfweite des Ventilators, in bestimmten Abständen über den Liegeboxenreihen eingebaut werden. In bestehenden Anlagen haben sich in der Beratungspraxis Abstände von max. 15 m bewährt. Dabei sollten sie bei einem Winkel von 15° - 25° nach vorne geneigt angebracht werden. Ab einer Höhe von 2,7 m Unterkante muss kein Schutzgitter mehr vorhanden sein. Beim Einbau empfehlen sich Rauchkanonen für die korrekte Einstellung des Luftstroms. Der erste Ventilator sollte in der Giebelwand oder 1,5 m von der Giebelwand entfernt eingebaut werden, wobei dieser eine in der Nähe befindliche Gebäudeöffnung benötigt, um frische Außenluft ansaugen zu können.

Eine weitere Möglichkeit, die Ventilatoren im Stall zu platzieren ist die Queranordnung. Durch diese Anordnung kann eine Kühlung mit einer Unterstützung der Querlüftung kombiniert werden. Hier sind im Vergleich zur Längsausrichtung mehr Ventilatoren nötig, um eine möglichst gleichmäßige Durchströmung des Gebäudes zu erreichen. Ein weiterer Nachteil ist, dass die Laufflächen ebenfalls stark belüftet werden, was eine schnellere Abtrocknung der Flächen nach sich zieht und das Reinigen der Flächen erschweren kann. Dem kann allerdings leicht mit Wasser zur Bodenbefeuchtung entgegengewirkt werden (z. B. wasserführenden Entmistungsroboter oder fest installierte Bodenbefeuchtung). Ausreichend Wasser löst schmierige Stellen und somit das Problem.

Bei der Anschaffung der vertikalen Ventilatoren sollte auf die erreichbare Luftgeschwindigkeit, Stromverbrauch und die Geräuschentwicklung geachtet werden.

Hinweis: Verschmutzungen können die Leistung und den Geräuschpegel des Ventilators beeinträchtigen. Durch einfachste Mittel, wie zum Beispiel durch einen Besen, kann der Schmutz entfernt und der Kühlungseffekt wieder erhöht werden. Hinsichtlich der Arbeitssicherheit sollten die Ventilatoren dabei ausgeschaltet sein.

Eine dritte Variante stellt die Schlauchbelüftung dar. Dieses System funktioniert durch Überdruck, bei dem Außenluft durch ein in der Stallmauer integrierten Ventilator in einen Textilschlauch gedrückt wird. Besonders bei geringen Gebäudehöhen und/oder in Lagen mit geringer Luftbewegung können Schlauchbelüftungen empfohlen werden. Auf den Stall ausgelegte Berechnungen und individuelle Auslegung sind erforderlich.

In diesem Textilschlauch befinden sich kleine Luftaustrittsöffnungen, die die frische Luft über den Tieren verteilen. Eine gezielte Kühlung findet an den wichtigsten Bereichen, wie Liegeboxen und Fressplätzen statt. Es lassen sich punktuell Luftgeschwindigkeiten bis zu 4 m/s erreichen. Hohe Luftwechselraten für das gesamte Gebäudevolumen lassen sich mit einer Schlauchbelüftung nicht erreichen.

5.3 Kühlung durch Wasserverdunstung

Eine weitere geeignete Abkühlung lässt sich durch Verdunstung von Wasser erzeugen. Durch gezielte Verdunstungskühlung wird Verdunstungskälte direkt am Tier freigesetzt. Dies kann durch zwei Möglichkeiten umgesetzt werden. Zum einen durch die Abkühlung am Tier selbst. Zum anderen durch Sprüh- und Vernebelungsanlagen, die die Temperatur im Stall herabsenken. Dabei wird auch zwischen Hochdruck (kleine Tröpfchen im µ-Bereich durch Hochdruckpumpen generiert) und der Niederdruck-Technik (große Tropfen) mit normalem Wasserdruck unterschieden. Beim Einsetzen von Wasser muss allerdings auf die vorhandene Luftfeuchte geachtet werden. Bei zu hoher Luftfeuchte sollte nicht mit Wasser gekühlt werden, da der Kühlungseffekt am Tier sehr gering ist und die Stallhygiene sowie der Baukörper in Mitleidenschaft gezogen werden.

Abkühlung am Tier

Die Dusche, auch „Beregnung“ oder „Bewässerung“ der Kühe genannt, ist geeignet die Kühe unmittelbar abzukühlen. Es handelt sich hierbei um eine Niederdruckanlage. Das Fell der Tiere wird mit großen Tropfen beregnet und somit nass. Beim Abfließen sowie beim späteren Verdunsten des Wassers wird dem Tier Körperwärme entzogen, was einen Abkühlungseffekt erzeugt. Ein 15-Minuten-Intervall ist zu empfehlen. Dabei werden die Kühe drei Minuten lang beregnet und anschließend folgt eine zwölf-minütige Pause. Ventilatoren können diesen Prozess unterstützen. Die Wassertropfengröße und -geschwindigkeit ist immer auf die Tiere anzupassen. Ein gut gewählter Standort für eine Dusche ist z. B. im Auslauf, im Wartehof oder über den Laufflächen.

Eine weitere Variante stellt das technisch sehr anspruchsvolle „Soaking“ (deutsch: Einweichen) dar, bei dem viel Wasser in kurzer Zeit die Tiere bis auf die Haut nässt und sie anschließend durch einen starken Luftstrom, wie beim Föhnen, wieder trocknet. Dieses Wechselverfahren wird z. B. in Ländern praktiziert, wo stets hohe Temperaturen, verbunden mit einer hohen Luftfeuchte, herrschen.

Abkühlung der Stalltemperatur

Bei der Sprühkühlung (Niederdruck) und der Hochdruck-Vernebelung wird der Umgebungsluft Wärme entzogen. Hierbei wird wenig Wasser vernebelt, sodass die Tröpfchen direkt in der Luft verdampfen und dabei die Lufttemperatur abkühlen, ohne dass die Tiere oder die Stalleinrichtung nass werden. Die Hochdruck-Vernebelung ist dabei deutlich effizienter, da die Tröpfchengröße sehr gering ist. Ab Temperaturen von 24 °C und nur bis zu einer relativen Luftfeuchtigkeit von 70 %, sollten diese Kühlungsanlagen eingesetzt werden. Dabei ist wichtig, dass auf eine ausreichende Lüftung geachtet werden muss, damit die Luftfeuchtigkeit so gut es geht niedrig gehalten wird. Ein Nachteil der Hochdruck-Vernebelung ist der hohe Wartungs- und Energieaufwand. Allerdings ist hier der Wasserverbrauch geringer als bei den Duschen. Lauf- und Liegeflächen sowie Stallausrüstungen bleiben relativ trocken. Wie auch bei den Ventilatoren sollten die Kühlungsanlagen klimasensorisch gesteuert werden. Ein Luftfeuchtigkeitssensor ist dringend erforderlich, um bei einer zu hohen Luftfeuchtigkeit die Wasserzufuhr abzustellen.

5.4 Fütterung und Wasseraufnahme

Reduzierung des Hitzestresses kann auch durch die Fütterung erreicht werden. Das Wichtigste ist, dass den Tieren immer frisches Tränkwasser angeboten werden muss. Eine saubere und ausreichende Tränkversorgung muss generell gewährleistet sein, spielt aber bei Wärmebelastung eine besonders bedeutsame Rolle. Eine tägliche Kontrolle auf Durchfluss und Sauberkeit muss sowohl im Stall als auch auf der Weide erfolgen.

Insgesamt sollte die Fütterung in kühleren Tageszeiten stattfinden und frisches Futter angeboten werden. Rationen sind auf dem Futtertisch häufiger anzuschieben oder in mehreren kleinen Rationen am Tag frisch vorzulegen. Weidehaltung oder Auslauf sollte in den Abend-, Nacht- und frühen Morgenstunden ermöglicht werden.

Faserreiche Futter mit hoher Verdaulichkeit schränken entstehende Wärme etwas ein. Auch die Zugabe von Wasser in der Ration kann Abhilfe verschaffen. Futterfette sollten dazu eingesetzt werden, um die Energieaufnahme zu gewährleisten. Zusätzlich muss der Pansen-pH stabil gehalten werden, damit keine Pansenazidose entsteht. Dies kann z. B. durch Puffersubstanzen in der Ration unterbunden werden oder durch Speichelanregung durch Lecksteine.

Eine Nacherwärmung des Futters sollte verhindert und Futterreste vermieden werden.

Weitere Informationen zur bedarfs- und klimagerechten Fütterung

Fazit

Eine Sensibilisierung für das Thema Hitzestress bei Milchkühen scheint immer bedeutender zu werden. Technik im Stall kann gute Abhilfe schaffen, um Hitzestress vorzubeugen. Besprechen Sie sich mit Beratungskräften in Ihrem Kreis, um eine individuelle Lösung für Ihren Stall zu finden. Bei der Planung von Neubauten berücksichtigen Sie die hitzestressreduzierten Maßnahmen. Ihre Tiere werden es Ihnen in vielerlei Hinsicht danken.

Literatur

  • Brade, W. (2013). Milcherzeugung unter den Bedingungen des Klimawandels–Möglichkeiten zur Vermeidung oder Minderung des Hitzestresses. Berichte über Landwirtschaft-Zeitschrift für Agrarpolitik und Landwirtschaft
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  • DLG-Merkblatt 450 (2021). Vermeidung von Hitzestress bei Milchkühen. 2. Auflage. Deutsche Landwirtschaftsgesellschaft e.V. Frankfurt am Main.
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  • Schuster, H. & Spiekers, H. (2022). Bedarfs- und klimagerecht füttern. Milchpraxis 3/22.
  • Tober, O. (2019). Wärmebelastung von Milchkühen; Landesforschungsanstalt für Landwirtschaft und Fischerei Mecklenburg-Vorpommern.
  • Tober, O., Jansen C. & Sanfleben, P. (2020). Schaffung von Managementhilfen zur Optimierung von Tierumwelt und Tierwohl in der Milchviehhaltung im freigelüfteten Laufstall unter Berücksichtigung ethologischer und physiologischer Merkmale. Landesforschungsanstalt für Landwirtschaft und Fischerei Mecklenburg-Vorpommern.