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Verhalten von Mastgänsen

Die Stammform unserer heutigen europäischen Hausgänserassen ist die Graugans (Anser anser). Im Laufe der Domestikation haben sich einige Veränderungen unserer Hausgänse im Vergleich zur Wildform ergeben, die sowohl das Aussehen als auch das Verhalten betreffen. Durch die Zunahme an Körpergröße und -gewicht sind die Hausgänse flugunfähig geworden. In Bezug auf das Verhalten sind sie weniger scheu. Grundsätzlich ist das Verhalten der Tiere jedoch genetisch verankert und die Haltungsumwelt der Tiere sollte bestmöglich auf dieses abgestimmt werden. Wenn durch die Haltungsbedingungen bestehende Verhaltensweisen unterdrückt werden, kann das zu erheblichen psychischen und physischen Belastungen des Tieres führen.

Die Verhaltensweisen lassen sich in sog. Funktionskreise einteilen (z. B. Fortbewegungsverhalten), die im jeweiligen Funktionsbereich (z. B. Weide) ausgeübt werden.

Funktionskreis vs. Funktionsbereich

  • Funktionskreis: Ein nach funktionellen, zielführenden Gesichtspunkten ausgerichtetes Verhaltenssystem mit entsprechender Bewegungskoordination
  • Funktionsbereich: Der räumliche Bereich des Haltungssystems, in dem ein (oder mehrere) Funktionskreis(e) ausgelebt werden

Im Folgenden wird auf das Verhalten der Ursprungs-/Wildform eingegangen. Auf Abweichungen oder Besonderheiten, die sich aufgrund der modernen Haltung der Mastgänse ergeben, wird ergänzend hingewiesen.

Auf das Fortpflanzungsverhalten wird nicht näher eingegangen, da Mastgänse vor Erreichen der Geschlechtsreife geschlachtet werden.

Fortbewegungsverhalten

Funktionsbereich

  • Laufflächen
  • Eingestreuter Bereich
  • Weide

Gänse verfügen über kräftige, weit seitlich ansitzende, schräg einwärts gestellte Beine, wodurch sie sich auch gut auf dem Land fortbewegen können. Sie bewegen sich nur langsam fort. Sie besitzen eine gute Schwimmfähigkeit durch ihren langen, breiten Körperbau, die luftgefüllten großen Knochen und die Schwimmhäute zwischen den Zehen.

Futter- und Wasseraufnahmeverhalten

Funktionsbereiche

  • Fressplatz/Tränke
  • Offene Wasserangebote
  • Weide

Futteraufnahme

Gänse sind überwiegend Pflanzenfresser. Unter natürlichen Bedingungen nehmen Gänse einen Teil der Nahrung im Wasser auf. Dazu dienen das Gründeln und das Seihen, ähnlich wie es bei Enten beobachtet werden kann.

An Land können die Tiere mit ihrem kräftigen Schnabel Gras und Grünpflanzen gut abrupfen, haben allerdings auch einen tiefen Verbiss. Bei der Futteraufnahme stehen die Tastsinnleistungen im Vordergrund. Feuchte Schrote werden aufgrund der Schnabelform gegenüber trockenen bevorzugt, da diese leichter aufgenommen werden können. Aufgrund ihrer dehnbaren Speiseröhre, die wie ein Kropf fungiert, können Gänse in kurzer Zeit relativ viel Futter aufnehmen.

Wasseraufnahme

Zum Trinken wird der Schnabel waagerecht auf die Wasseroberfläche gesenkt, sodass die Spitze des Schnabels leicht ins Wasser eingetaucht ist. Der Schnabel öffnet und schließt sich in schnellen Bewegungen, anschließend wird der Kopf ruckartig hochgehoben und das Wasser abgeschluckt. Alternativ taucht die Gans den Schnabel direkt zu 2/3 ins Wasser ein und hebt danach den Kopf, um das Wasser zu schlucken. Auch seihende Schnabelbewegungen werden ausgeführt.

Komfortverhalten

Funktionsbereiche

  • Offene Wasserangebote
  • Eingestreuter Bereich
  • Weide

Komfortverhalten bezeichnet die vielfältigen Verhaltensweisen, die zur Reinigung und Pflege des Gefieders sowie zur Thermoregulation beitragen und das Wohlbefinden steigern. Diese Aktivitäten werden besonders nach der morgendlichen Nahrungsaufnahme beobachtet und machen ca. 10-15 % der gesamten Tageszeit aus. Das Komfortverhalten dient einerseits der Körperpflege, andererseits haben einige Bewegungen auch eine Signalwirkung (z. B. das Anheben der Flügel bei gleichzeitigem Aufrichten und Hochrecken des Körpers als Prahl- oder Imponiergehabe).

Komfortverhalten

Ausprägung

Sich-Schütteln 
  • Beseitigung von Wasser oder Schmutz aus dem Gefieder
  • Übersprungshandlung, besonders nach Tretakt
  • Körperschütteln, Flügelschütteln, Kopfschütteln, Schwanzschütteln, Beinschütteln, Sich-Flügeln (Die Gans richtet sich auf, hält den Schwanz parallel zum Boden und fächert ihn stark. Der Schnabel zeigt nach oben und die Gans schlägt schnell und geräuschvoll mit den Flügeln. Dabei steht sie auf gestrecktem Fuß.)
 

Sich-Strecken

 
  • Vor und nach dem Einschlafen, beim Putzen und nach längerem Stehen
  • Flügelhochstrecken, Flügel- und Beinstrecken
 

Putzverhalten

 
  • Gänse verfügen über eine komplexe Verhaltensreihe von einzelnen Putzbewegungen, die das Gefieder sauber und funktionsfähig halten. Ein verunreinigtes Gefieder einzelner Tiere kann ein Hinweis auf eine vorliegende Erkrankung sein.
  • Verteilung des Fettes aus der Bürzeldrüse über den gesamten Körper, trägt zur Wasserundurchlässigkeit des Gefieders bei.
  • Steht eine offene Wasserfläche zur Verfügung, so nutzen die Tiere diese auch zur Reinigung der Nasenlöcher und der Augen.
 

Badeverhalten

 
  • Wasserspezifische Verhaltensweisen sind z. B. das Wasserschöpfen (Gans befördert mit Kopf und Hals in einer schnellen Aufwärtsbewegung Wasser auf ihren Rücken) und Wasserschlagen (Gans schlägt heftig mit ihren Flügeln auf die Wasseroberfläche) oder Kombinationen daraus sowie das Tauchen (nicht nach Nahrung).
  • Das Badeverhalten wird natürlicherweise mit und ohne Wasser ausgeübt. Beim Trockenbaden ist der gleiche Bewegungsablauf zu beobachten wie beim Baden im Wasser.
 

 

Ruhe-/Schlafverhalten

Funktionsbereiche

  • Eingestreuter Bereich
  • Weide

Gänse ruhen oder schlafen meist nach jeder größeren Futtermahlzeit. Beim Ruhen auf dem Land stehen sie meistens auf einem Bein. Auf dem Wasser paddeln sie hin und wieder, um nicht an Land zu treiben. Beim Schlafen auf dem Land befindet sich der Körper auf dem Boden. Der Kopf wird in das Schultergefieder gesteckt oder nach hinten auf den Rücken gezogen und der Schnabel auf die Brust gelegt.

Nachts bzw. im Stall ruhen Gänse in großen Gruppen, tagsüber ruhen sie auch in kleineren Gruppen zusammen. Der Anteil des Ruhens (sitzend/stehend) macht über 50 % im Verhältnis zu allen Verhaltensweisen aus.

Sozialverhalten

Funktionsbereiche

  • Eingestreuter Bereich
  • Weide

Die Gemeinschaft von Gänsen ist fester zusammengefügt als bei Enten. Eine Herde Gänse bewegt sich grundsätzlich immer als Gruppe. Die Führung obliegt in der Natur dem stärksten Ganter. In der heutigen Haltung von Mastgänsen ist das soziale Gefüge meist nicht mehr so stark ausgeprägt.

Bei Gösseln ist die Prägung nach dem Schlupf im Vergleich zu anderen Geflügelarten besonders stark. Die Rangordnung wird bereits in den ersten Tagen festgelegt.

Akustische Signale der Tiere gehören ebenso zu den Verhaltensäußerungen und spielen bei der Verständigung untereinander eine wichtige Rolle, z. B. Piepen der Gössel, Schreck- oder Warnrufe, Zischen als Zeichen der Erregung etc..