Einleitung
Die bereits im Jahr 2020 verabschiedete europäische „Farm to Fork“- Strategie verfolgt das Ziel den Tierschutz in der europäischen Nutztierhaltung zu verbessern. Hierzu soll zukünftig u. a. die Käfighaltung schrittweise abgeschafft werden und gemeinsame, wissenschaftlich fundierte Indikatoren zur Messung des Tierwohls etabliert werden. Ziel der Indikatorerhebung ist es, eine Vereinheitlichung der Tierwohlstandards in der EU voranzutreiben.
Im Zuge dessen wurde die Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) seitens der Europäischen Kommission beauftragt, wissenschaftliche Gutachten zum derzeitigen Stand des Tierwohls in europäischen Nutztierhaltungen zu erstellen. In Hinblick auf die Geflügelhaltung erarbeitete das wissenschaftliche Gremium für Tiergesundheit und Tierwohl (AHAW Panel) der EFSA Empfehlungen zur Haltung von Legehennen, Masthühnern und erstmalig auch von Enten, Gänsen und Wachteln. Diese wurden im Frühjahr 2023 veröffentlicht. Im Herbst 2022 veröffentlichte die EFSA bereits eine Stellungnahme zum Schutz von Geflügel & Kaninchen beim Transport in Containern/Transportkisten. Im Oktober 2023 erfolgte das Mandat, ein vergleichbares Gutachten auch für die Haltung von Puten zu erstellen, das noch nicht vorgelegt wurde.
Bei der Erstellung der EFSA-Gutachten werden wissenschaftliche Veröffentlichungen aus Fachzeitschriften, Literaturangaben von öffentlichen Forschungseinrichtungen und Universitäten, aber auch Experteneinschätzungen berücksichtigt.
In den Gutachten werden die gängigen Haltungssysteme beschrieben und Faktoren benannt, die sich negativ auf das Tierwohl auswirken können. Zusätzlich werden Empfehlungen ausgesprochen, welche Maßnahmen zukünftig zur Verbesserung des Tierwohl beitragen können und welche Indikatoren geeignet sind, um den Ist-Zustand des Tierwohls zu erfassen. Eine ökonomische Betrachtung der genannten Maßnahmen erfolgt hierbei zunächst nicht. Hierfür wurde ein zusätzliches Mandat erteilt.
Ausführliche Informationen zu den Inhalten der einzelnen Gutachten:
Schutz landwirtschaftlich gehaltener Legehennen
Schutz landwirtschaftlich gehaltener Masthühner
Schutz landwirtschaftliche gehaltener Enten, Gänse und Wachteln
Schutz von Hausvögeln & Kaninchen beim Transport in Containern/Transportkisten
Wie wichtig den Bürgern in der EU der Schutz landwirtschaftliche genutzter Tiere ist, wurde bereits im Oktober 2020 deutlich, als die erste erfolgreiche Europäische Bürgerinitiative (EBI) zum Schutz von Tieren an die Europäische Kommission übergeben wurde (End the cage age). In dieser fordern ca. 1,4 Millionen Europäer die EU auf, die Verwendung von Käfigen in der landwirtschaftlichen Tierhaltung zu beenden. Ein Drittel der Unterschriften wurden aus Deutschland abgegeben
Anzumerken ist dabei, dass die Käfighaltung für Legehennen in Deutschland bereits seit dem 01. Januar 2010 verboten ist. Allerdings trat die Haltung von Legehennen in Kleingruppen und sogenannten ausgestalteten Käfigen an ihre Stelle. Aber auch diese Haltungsform von Legehennen ist ein Auslaufmodell, da Bund und Länder sich auf eine Auslauffrist für bestehende Betriebe bis Ende 2025 geeinigt haben. Somit wird seit Jahren ein rückläufiger Trend der in dieser Haltungsform produzierten Eier und der entsprechend gehaltenen Legehennen verzeichnet. Wurden 2021 noch 718 Millionen Eier von im Jahresdurchschnitt 2,3 Millionen Tieren in Kleingruppen-Systemen produziert, waren es im Jahr 2023 nur noch 162 Millionen Eier von insgesamt 2 Millionen Hennen. Dem Trend der Vorjahre folgend sank die Zahl der Hennen in Kleingruppenhaltungen in 2023 um 7,4 % zum Vorjahr.
Schutz landwirtschaftlich gehaltener Legehennen
Dieses wissenschaftliche EFSA-Gutachten befasst sich mit dem Wohlergehen von Legehennen, Junghennen und Elterntieren in landwirtschaftlichen Betrieben. Im Rahmen der "Farm to Fork"-Strategie überprüfte die Europäische Kommission u. a. die Tierschutzvorschriften der Richtlinie 1999/74/EG des Rates zu den Mindeststandards für den Schutz von Legehennen.
Relevante Tierschutzprobleme in den üblichen Haltungsformen von Legehennen
- Knochenbrüche, Verrenkungen (Frakturen & Dislokationen)
- Gruppenstress
- Unfähigkeit Komfortverhalten auszuüben
- Unfähigkeit Erkundungs- oder Futtersuchverhalten auszuüben
- Stress durch Isolation
- Stress durch Prädatoren (Freilandhaltung)
- Einschränkungen beim Ruheverhalten
- Bewegungseinschränkungen
- Hauterkrankungen
- Weichteilverletzungen
- Schäden am Hautgewebe (z. B. Kannibalismus, Federpicken, Beschädigungspicken an Zehen).
Innerhalb des Gutachtens werden die positiven Auswirkungen der Abschaffung von bestehenden Käfighaltungen von Legehennen beleuchtet. Es werden Mindestanforderungen an die Haltungsbedingungen für Legehennen, Junghennen und Elterntierherden gestellt. Darüber hinaus wird die Praxis des Schnabelkürzens zur Minderung von Häufigkeit und Schwere von Pickausbrüchen betrachtet. Diese Praktik ist mit negativen Folgen für das Wohlergehen der Tiere verbunden, wobei aber auch die Aufzucht von Herden ohne Schnabelkürzen Risiken für das Wohlbefinden der Tiere z. B. durch vermehrt auftretendes Beschädigungspicken birgt. Diesbezüglich werden Alternativen vorgeschlagen, um die Schärfe des Schnabels ohne Trimmen zu verringern. Weiterhin werden die Gesamtmortalität, Gefiederschäden, Wunden, Brustbeinbrüche und Schlachtkörperverwürfe als vielversprechende tierbezogenen Indikatoren für die Erfassung in Schlachthöfen zur Überwachung des Wohlbefindens der Legehennen in Betrieben erwähnt.
Tierschutzforderungen für Legehennen
- Unterbringung aller Tiere in käfiglosen Systemen
- Leicht zugängliche erhöhten Plattformen und/oder Sitzstangen, sodass alle Hennen gleichzeitig ruhen und sich gegenseitig ausweichen können
- Strukturelemente, die Komfort und Erkundungsverhalten fördern
- Ständig trockene & lockere Einstreu
- Zugang zu einer überdachten Veranda, um Besatzdichte tagsüber zu verringern & Wahl zwischen Temperaturen, Lichtverhältnissen und Substratqualität zu ermöglichen
- Zusätzlich Platz, soweit keine überdachte Veranda zur Verfügung gestellt werden kann (Klimazonen schaffen)
- Vorbeugenden Maßnahmen gegen Beschädigungspicken zur Vermeidung des Schnabelkürzens
- Förderung von Fortschritten in der genetischen Selektion anhand von Protokollen zur Erfassung von Tierschutzmerkmalen (z. B. Brustbeinbrüchen und Gefiederzustand), sodass Landwirte Linien mit geringerem Risiko von Knochen- und Weichteilverletzungen sowie Hautverletzungen auswählen können.
- Einführung harmonisierter Bewertungsmethoden & Punktesystemen im Betrieb zur Überwachung von Sterblichkeit, Wunden, Gefiederschäden, Brustbeinbrüchen und Schlachtkörperverwürfen
- Aufzucht von Junghennen in warmen & dunklen Brutkästen (Nachahmung Mutterhenne), um Ängstlichkeit während Aufzucht & Legeperiode zu mindern
- Haltungssysteme, die Mobilität der Tiere unterstützen/fördern
- Reduktion von Aggressionen in Elterntierherden durch Verringerung des Anteils an Hähnen in Herden (unter 1:10), Auswahl wenig aggressiver Hähne, Installation von Trennwand, damit Hennen vor Hähnen fliehen können & Förderung der Interaktion von Tieren ähnlichen Alters
Schutz landwirtschaftlich gehaltener Masthühner
Diese Stellungnahme befasst sich mit dem Wohlergehen von Masthühnern, Eintagsküken und Elterntieren im Betrieb. Wie auch schon im Gutachten für die Legehennen werden die wichtigsten Haltungssysteme in der EU beschrieben. Die relevanten Auswirkungen auf das Wohlergehen der Tiere für jedes System sowie die entsprechenden tiergestützten Indikatoren zur Überwachung des Tierwohlniveaus werden beleuchtet. Im Rahmen ihrer "Farm to Fork"-Strategie überarbeitet die Europäische Kommission u. a. die Tierschutzvorschriften zum Schutz von Masthühnern, die zur Fleischerzeugung gehalten werden und unter die "Broiler-Richtlinie" (Richtlinie 2007/43/EG des Rates) fallen. Diese Richtlinie gilt derzeit nicht für Zuchttiere und Brütereien. Die wichtigsten Indikatoren für die Überwachung des Tierschutzes bei Masthühnern sind die Gesamtmortalität im Betrieb, das Vorhandensein von Wunden, die Verwerfung von Schlachtkörpern und Fußballendermatitis.
Relevante Tierschutzprobleme in den üblichen Haltungsformen von Masthühnern
- Knochenbrüche
- Kältestress
- Unfähigkeit Komfortverhalten auszuüben
- Unfähigkeit Erkundungs-, oder Futtersuchverhalten auszuüben
- Stress durch Isolation
- Gastrointestinale Störungen
- Anhaltender Durst
- Hitzestress
- Anhaltender Hunger
- Stress durch das Handling
- Störungen des Bewegungsapparates (z. B. Lahmheiten)
- Stress durch Prädatoren (Freilandhaltung)
- Bewegungseinschränkung
- Störungen des Ruheverhaltens
- Gruppenstress
- Weichteil- und Integumentschäden (Hautveränderungen)
- Sensorische Unter- oder Überstimulation
- Derzeitige sehr hohe Besatzdichten; Besatzdichten von > 11 kg/m2 bedingen vermehrte Fußballendermatitis, vermindern die Lauffähigkeit und beeinträchtigt das Komfort- und Erkundungsverhalten
- Ammoniakwerte > 15 ppm (parts per million) beeinträchtigen das Wohlbefinden Masthühnern
Relevante Tierschutzprobleme in den üblichen Haltungsformen von Eintagsküken
- Futterentzug > 48 Stunden führt zu "Dauerhunger"
Relevante Tierschutzprobleme in den üblichen Haltungsformen von Elterntieren
- Futter- und Wasserrestriktionen führen zu anhaltendem Hunger bzw. Durst
- Beibehaltung genetischer Selektion auf schnelle Wachstumsrate wird die negativen Folgen für das Wohlergehen der Tiere noch verstärken
- Unterbringung von Groß-, Urgroßelterntieren und reinrassigen Linien in einzelnen kahlen Käfigen führt zu Isolation und Stress beim Handling, beeinträchtigt Erkundungs-, Futter- und Komfortverhalten, sowie Bewegungs- und Ruheverhalten
- In gemischten Gruppen Unfähigkeit der Hennen sich dem übermäßigem Paarungstrieb der Hähne zu entziehen
Amputationen sind in der EU in der Masthähnchenhaltung weit verbreitet und beeinträchtigen das Wohlbefinden, können durch geeignete Managementpraktiken aber vermieden werden.
Tierschutzforderungen für Masthühner
- Begrenzung Wachstumsrate von Masthähnchen auf maximal 50 g/Tag
- Reduktion der Besatzdichte
- Trockene & lockere Einstreu, nach 2. Produktionswoche neue Einstreu
- Überdachte Veranda für Masthähnchen & Masthähnchenerzeuger ab einem Alter von 2. Wochen?
- Zugang zu Außenbereich, dieser mit 70 % Vegetation bedeckt
- Zugängliche, erhöhte Plattformen mit Rampen & Sitzstangen
- Keine Amputationen
- Keine Käfighaltung
- Keine Futter- und Wasserrestriktion
- Entwicklung alternativer Methoden zur Datenerfassung (Precision Livestock Farming)
- Ammoniakkonzentration < 15 ppm
- Umgebungsbeleuchtung mindestens 20 Lux
- Dunkelbrüter („Dark brooders“), dieVerhalten der Mutterhenne simulieren, somit Ruheverhalten fördern & sensorische Überstimulation mindern
- Transport von befruchteten Eiern & Schlupf im Stall
- Inkubation Eierschale ≤ 37,8 °C
- Gesamtmortalität im Betrieb, verletzte Tiere, Schlachtkörperverwürfe & Fußballendermatitis sollten im Schlachthof überwacht werden
- Zugängliche Sitzstangen in Elterntierherden, zur Verringerung des Risikos von Bewegungsproblemen, Stress & zur Förderung des Ruheverhaltens
- Weitere Forschung zu:
- Einsatz von neuen Technologien (Precision Livestock Farming)
- Besonderheiten von erhöhten Plattformen & Sitzstangen
- Konzentrationen von Ammoniak, CO2 & Staub in Ställen
- Auswirkungen der Gruppengröße auf das Wohlbefinden von Masthühnern
- Auswirkungen der Bereitstellung von Feuchtfutter in Schlupfbrütern auf das Wohlbefinden von Eintagsküken
Schutz landwirtschaftliche gehaltener Enten, Gänse und Wachteln
Erstmals legte die EFSA ein wissenschaftliches Gutachten zur Bewertung des Wohlergehens von Enten und Gänsen in landwirtschaftlichen Betrieben vor, welches jedoch nicht die Aspekte der Feder- und Daunengewinnung, der Stopfleberproduktion, der Aufzucht von Vögeln für die Jagd oder anderweitige Nutzung der Tiere neben der Mast sowie des Transports oder der Schlachtung beleuchtete. Hinsichtlich der ausgegebenen Forderungen räumt die EFSA aufgrund kaum verfügbarer wissenschaftlicher Literatur und Daten einen gewissen Grad an Unsicherheit ein.
Haltungssysteme für folgende Enten und Gänse wurden beurteilt:
- Pekingente: vorwiegend zur Zucht & Fleischerzeugung gehalten
- Moschusente: vorwiegend zur Zucht, Erzeugung von Fleisch & Stopflebern (Erzeugung in DE verboten; Import erlaubt) gehalten
- Mularden: Hybride aus weiblicher Haus-/Pekingente & männlicher Moschusente in EU (nicht DE) vorwiegend zur Erzeugung von Stopflebern (Foie gras) gehalten.
- Hausgans: zur Erzeugung von Fleisch und Gänsestopfleber (nicht in DE; Import erlaubt) gehalten
- Japanische Wachtel: zur Zucht und Erzeugung von Eiern & Fleisch gehalten
Relevante Tierschutzprobleme in den üblichen Haltungsformen von Enten, Gänsen & Wachteln
- Fehlendes dreidimensionales Platzangebot
- Gruppengröße
- Bodenqualität
- Verfügbarkeit, Gestaltung und Größe von Nistmöglichkeiten
- Umweltanreicherung zur Befriedigung biologischer Bedürfnisse, wie Zugang zu offenen Wasseroberflächen
Tierschutzforderungen für Wasservögel
Bodengestaltung
- Planbefestigte eingestreute Böden zur besseren Unterstützung des Erkundungs- und Futtersuchverhaltens
- Erhalt guter Qualität der Einstreu (trocken, mürbe und frei von physikalischen, chemischen und mikrobiologischen Gefahren)
Wasserversorgung
- Zugang zu offenen Wasseroberflächen zum Baden & Kopf benässen verhindert oder mildert Weichteilverletzungen & Hautirritationen, Gruppenstress & ermöglicht mehr Komfort-, Erkundungs- und Futtersuchverhalten
- Drainage um Wasserstellen zur Vermeidung von Staunässe
Beschäftigungsmaterial
- Silage oder Heu regen Erkundungs- und Futtersuchverhalten an & mindern das Risiko für Federpicken & Kannibalismus bei Enten
- Moschusenten nutzen gerne erhöhte Strukturen, wie Sitzstangen
Auslauf
- Zugang ins Freie schafft u. a. positive Klimareize, stellt aber Herausforderung für Management dar (Prädatoren & Biosicherheit)
- Alternativ bieten eine überdachte Veranda oder ein überdachter Auslauf Vorteile eines Außenbereichs
Raumangebot
- Mindesthöhe für Hausenten 66 cm, für Moschus- und Moulardenente 96 cm, für Hausgänse 127 cm; jedoch Gesamthöhe, die einem Menschen die Tierkontrolle ermöglicht
- Mehr Platz (dreidimensional), um artspezifische Verhaltensweisen (einschließlich Wasserbaden) zu ermöglichen
- Keine Einzelhaltung
Gruppenstruktur
- Verhältnis von Gans/Ente zu Ganter/Erpel bei Gruppen ausgewachsener Tiere wichtig, um übermäßiges Sexualverhalten und Aggressionen zwischen männlichen Tieren zu vermeiden.
- Jedoch aktuell keine wissenschaftlichen Erkenntnisse über eine maximale Gruppengröße
Nistverhalten
- Bereitstellung von weichem & manipulierbaren Nistmaterial
- Verfügbarkeit und Qualität der Nester (Größe, Nistmaterial, Lage, Helligkeit & Art der Gestaltung) wichtig für Wohlergehen & Nistverhalten
- In einer Gruppe gemeinsame Nutzung eines Nests im Laufe der Zeit möglich; Verhältnis Nest: Weibchen wichtig zur Vermeidung von Konkurrenz & Eiablage am Boden
Aufstallungs-Systeme
- Zu vermeiden sind alle Einzel-, Paar- oder Sammelkäfige sowie alle Haltungssysteme zur Stopfleberproduktion, da sie sich negativ auf das Tierwohl auswirken
- Präventivmaßnahmen sollten auf alle Haltungssysteme angewandt werden
Tierschutzforderungen für Japanische Wachteln
- Staubbäder mit feinem Material
- Unterbringung, die verletzungsfreies Hochspringen/-fliegen & Tierkontrolle ermöglicht
- Nestbereich & Nistmaterial zur Ausübung des Nestbauverhaltens
- Fester Boden mit lockerer Einstreu zur Ausübung des Erkundungs- und Futtersuchverhaltens
Schutz von Geflügel & Kaninchen beim Transport in Containern/Transportkisten
Das wissenschaftliche Gutachten zum Transport von Tieren in Behältnissen skizziert die unterschiedlichen Auswirkungen auf das Wohlbefinden der Tiere in den verschiedenen Phasen des Transports, die Ursachen für die Einschränkungen des Wohlbefindens sowie die tierbezogenen Indikatoren zu ihrer Bewertung. Wie für alle Tierarten ist die Transportfähigkeit von größter Bedeutung. Für Tiere, die in Containern/Kisten transportiert werden (Geflügel und Kaninchen), empfiehlt die EFSA beispielsweise, dass die Transportdauer als die gesamte Zeit betrachtet werden sollte, in der sich die Tiere in den Containern befinden.
Die einzige Möglichkeit, Auswirkungen auf das Wohlergehen von Eintagsküken zu vermeiden, besteht darin, befruchtete Eier zu transportieren und diese im Bestimmungsbetrieb auszubrüten. Um die Auswirkungen des Transports auf das Wohlergehen der Tiere zu verringern, sind im Vergleich zu den derzeitigen Vorschriften und Praktiken mehr Platz, niedrigere Temperaturen und eine kürzere Transportdauer erforderlich.
Als erster EU-Mitgliedsstaat gehen die Niederlande nun voran was das Fangen von Geflügel im Rahmen der Verladung betrifft. Am 4. Juni 2024 hat das höchste Verwaltungsgericht der Niederlande, das Berufungsgericht für Handel und Industrie (CBb) in seinem Urteil festgestellt, dass die Fänger Geflügel nicht mehr an den Beinen (kopfüber) anheben dürfen, um es in Kisten oder einen Container zu befördern.
Relevante Tierschutzprobleme beim Transport von Geflügel
- Kältestress als besonderes Problem für Legehennen am Ende der Legeperiode, die nur über wenig Körperfett verfügen & oft schlecht befiedert sind
- Transportunfähigkeiten: offensichtliche Krankheitsanzeichen, Kachexie, schwere Lahmheit (unfähig, mehr als ein paar Schritte zu stehen und/oder zu gehen), offene Wunden & Vorfälle (Prolapse), schlechte Befiederung (bei niedrigen Temperaturen), Frakturen (Beine, Flügel usw.), Dislokationen z. B. an Beinen oder Flügeln & nasses Gefieder (bei niedrigen Temperaturen)
- Bei Enten und Gänsen stellt nasses Gefieder kein Risiko dar
- Legehennen mit schlechtem Federkleid sind bei kalten Temperaturen ohne vorbeugende oder korrigierende Maßnahmen transportunfähig
- Überkopf Tragen an den Beinen beim Fangen/Verladen erhöht Belastung und Risiko für dislozierte (ausgerenkte) Gelenke, Bein- oder Flügelbrüche & Hämatome (blaue Flecken) im Vergleich zum Fangen und Tragen der Tiere in aufrechter Position
- Bei einer Äquivalenttemperatur (AET = apparente äquivalente Temperatur, Kombination aus Temperatur und relativer Luftfeuchtigkeit im Inneren des Containers) < 40AET sind Legehennen keinem Hitzestress ausgesetzt (sichere Zone), bei 40 – 65 AET besteht ein erhöhtes Risiko von Hitzestress (Warnbereich), > 65 AET sind die Mechanismen der Vögel zur Bewältigung von Hitzestress weniger wirksam, und es besteht die Gefahr von Hitzestress (Gefahrenzone)
Der Deutsche Wetterdienst stellt bezüglich der Hitzebelastung eine Wetterkarte von Mai bis September zum Abruf zur Verfügung.
- Futterentzug beginnt mit dem Einstellen der Futterversorgung im Betrieb & endet, wenn alle Tiere gefüttert oder geschlachtet wurden
- Futterentzug von > 12 Stunden bedeutet anhaltenden Hunger & Abbau von Darmzellen
Das Auftreten der einzelnen Arten von Tierschutzproblemen variierte je nach Stadium, Art und Dauer des Transports.
Tierschutzforderungen für den Transport von Geflügel
- Ausreichend Platz in den Kisten, um gleichzeitiges Sitzen aller Tiere zu ermöglichen
- Ausreichendes Raumangebot, dass der Kamm oder der Kopf in natürlicher Haltung und beim Positionswechsel der Tiere nicht die Decke berührt
- Wirksame Vermeidung von Hitzestress, insbesondere durch mechanische Belüftung oder Klimaanlage
- Maximale Transportdauer von 12 Stunden, einschließlich der Nüchterung im Betrieb
- Transport befruchteter Eier anstelle von Eintagsküken („Schlupf im Stall“)
- Definition der Transportfähigkeit mit Leitlinien und Schwellenwerten auf der Grundlage von tierbezogenen Indikatoren
- Schulung aller am Transport Beteiligten
- Ordnungsgemäße Wartung der Fahrzeuge
- Verantwortlichkeiten aller beteiligten Gruppen klären
- Überprüfung von Partien mit Federtoten (Dead on Arrivals = DoA) über 0,1 %
- Geflügel beim Fangen und Verladen stets aufrecht tragen, nicht schaukeln, werfen oder fallen lassen
- Geflügel in der sicheren Temperaturzone (< 40 AET) transportieren, falls Wert > 65 AET Transportdauer auf maximal 4 Stunden begrenzen
- Gesamtdauer Futterentzug < 6 Stunden, um längeren Hunger während des Transports zu vermeiden bzw. < 12 Stunden, um längerem Hunger während des Transports vorzubeugen
- Futterentzug im Betrieb vermeiden, da keine wissenschaftlichen Belege für Nutzen des Fastens vor Transport
- Transportdauer sollte gesamte Zeit, in der die Tiere in den Behältern gehalten werden, einschließen
- Zeiträume, die bei der Definition der maximalen Transportdauer berücksichtigt werden sollten:
- Zeit des Futterentzugs im Betrieb zur Vorbereitung des Transports
- Zeit des Verladens aller Tiere
- Zeit des Aufenthalts aller Tiere in den Containern/Kisten vor, während und nach dem Transport
- Zeit des Ausladens aller Tiere (vom ersten bis zum letzten Tier)
- Maximale Transportdauer sollte 12 Stunden betragen
Eine gute Tierschutzpraxis fördert nicht nur das Wohlbefinden der Tiere an sich, sondern trägt auch zu einer besseren Tiergesundheit bei. Angesichts des engen Zusammenhangs zwischen Tierschutz, Tiergesundheit und lebensmittelbedingten Krankheiten ist der Tierschutz ein Schlüsselelement für die Sicherheit der Lebensmittelkette im Sinne des One-Health-Prinzips.
More Welfare Project (Mehr Tierwohl Projekt)
Zusätzlich zu den wegweisenden Gutachten für eine neue Tierschutzgesetzgebung hat die EFSA sich im More Welfare Project zum Ziel gesetzt bis 2027 neue (quantitative und qualitative) Methoden zur Bewertung des Tierwohls von zur Lebensmittelerzeugung genutzten Tieren zu entwickeln. Bis 2030 soll mit der Erhebung standardisierter und qualitativ hochwertiger Tierschutzdaten begonnen werden. Hierzu werden zunächst die bestehenden Methoden zur Bewertung des Tierschutzes für verschiedene zur Lebensmittelerzeugung genutzte Tierarten durch Literaturrecherche, Sekundärforschung, Online-Umfragen und Workshops erfasst. Darauffolgend werden die Daten- und Wissenslücken sowie mögliche Herausforderungen und Hindernisse bei der Bewertung des Tierschutzes aufgezeigt.