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Havariekonzepte: Strategische Vorsorge kann (Schweine-)Leben retten

  • Bernhard Feller, Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen
  • Stefan Leuer, Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen
  • Christian Meyer, Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein
  • Dr. Simone Müller, Thüringer Landesamt für Landwirtschaft und Ländlichen Raum
  • Georg Silkenbömer, Landwirt
  • Dr. Sabine Schütze, Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen
  • Sandra Terletzki, Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen
  • Laura Schönberg, Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen

Immer wieder kommt es vor, dass ein Brand in Schweineställen ausbricht und viele Tiere in Folge dessen verenden oder vor Ort notgetötet werden müssen. Erst im März 2021 brach ein Feuer in der ostdeutschen Sauenanlage Alt Tellin aus, bei dem mehrere Zehntausend Schweine starben und nur ein Bruchteil gerettet werden konnte. Die Ereignisse in Alt Tellin haben Tierhaltern auf schockierende Weise vor Augen geführt, welche verheerenden Folgen Brände in landwirtschaftlichen Stallanlagen haben können. Dieser Brand war ein erschreckendes Beispiel, die vorliegende Problematik ist jedoch unabhängig von der Bestandsgröße: Die produktionstechnischen Abläufe und die damit verbundenen Aufstallungsformen in konventionellen Schweineställen erschweren die Evakuierung der Tiere im Brandfall. Die Schweine stehen in geschlossenen Buchten und können den Stall nicht selbstständig verlassen, selbst wenn die äußeren Türen geöffnet werden. In alternativen Haltungssystemen gibt es im Vergleich zu den konventionellen Ställen ein paar Unterschiede. So haben freigelüftete Ställe z. B. Vorteile beim Rauchabzug und Offenfrontställe bieten weit mehr Angriffsmöglichkeiten für die Feuerwehr. Zudem lassen sich Tiere, die einen Auslauf gewohnt sind einfacher heraustreiben. Das Öffnen der Buchten muss jedoch auch hier vorgenommen werden und kostet Zeit. Zeit, die oft nicht vorhanden ist, da durch die Konstruktionsweise moderner Stalldächer im Brandfall schnell die Statik versagt, sodass das Zeitfenster, in dem die Feuerwehrleute ins Gebäude vordringen können, sehr eng ist.

Im niederländische Forschungsbericht „Brand in veestallen“ („Feuer in Viehställen“) werden folgende Ursachen als Hauptgründe für Feuer in Schweineställen beschrieben:

  1. Elektrizität/Kurzschluss
  2. unachtsames Arbeiten
  3. Überhitzung
  4. Explosion
  5. Selbstentzündung

Nach den Vorgaben der Bauordnungen muss die Rettung von Tieren aus Ställen möglich sein. In der Theorie sollen die Schweine beim Brand aus dem Stall getrieben werden. In der Praxis laufen die Schweine jedoch in Panik häufig instinktiv in ihre gewohnte Umgebung, also in den Stall, zurück. Da es außerdem meist keine Ersatzställe gibt, in die die Schweine getrieben werden können, irren diese vor Ort herum und gefährden damit das Einsatzpersonal oder schlimmstenfalls auch andere Menschen, wenn sie z. B. auf die Straße laufen. Eine Möglichkeit wäre ein geeigneter, eingezäunter Platz für die vorübergehende Unterbringung der Tiere außerhalb der Aufstell- und Bewegungsflächen für die Feuerwehr. Die Rettung von Tieren aus Ställen benötigt und bindet eine große Zahl an Helfenden bzw. Einsatzpersonal der Feuerwehr. Viele der Hilfskräfte haben meist nur wenig Erfahrung im Umgang mit landwirtschaftlichen Nutztieren.

Der wichtigste Aspekt im Brandschutz liegt in der Brandvermeidung. Brände lassen sich zwar nie zu 100 % verhindern, es gibt allerdings einige Gefahrenquellen, die im Vorfeld ausgeschlossen werden sollten und diverse Aspekte, die zur Prävention berücksichtigt werden sollten.

Gefahrenquellen (aus VdS 3453, 2013)

  • feuergefährliche Arbeiten
  • elektrische Anlagen und Geräte
  • Blitzschlag und Überspannung
  • Wärmequellen und Heizgeräte
  • Abstellen und Betreiben von Arbeitsmaschinen
  • Brandstiftung
  • unsachgemäße Lagerung oder Selbstentzündung von Ernteerzeugnisse und Düngemittel
  • unsachgemäße Lagerung von Brenn- und Kraftstoffen
  • Güllelagerung → Güllegasexplosionen

Doch nicht nur der Brandfall gehört zu den Havarien, die jeden Tierhalter und jede Tierhalterin treffen kann, auch die Unterbrechung der Stromversorgung z. B. durch Blitzschlag, ungünstige Witterungsbedingungen oder Baumaßnahmen können jederzeit eintreten. Der Ausfall von elektrisch betriebenen Lüftungsanlagen und der Futter- und Wasserversorgung haben fatale Folgen für die Tiere. Diese Ereignisse auf ein Minimum zu reduzieren liegt in der Verantwortlichkeit der Landwirt:innen. Der Einbau von Alarmanlagen ist vorgeschrieben und diese müssen regelmäßig gewartet werden. Alarmanlagen sollen frühzeitig auf technische Probleme im Stall hinweisen, damit Landwirt:innen rechtzeitig reagieren und Schaden abwenden können. Mittlerweile ist die Übertragung von Fehlermeldungen zum Teil bereits automatisch auf das Handy möglich, wodurch noch schneller gehandelt werden kann. Erscheint eine Alarmmeldung, ist eine systematische Vorgehensweise wichtig.

Weiterhin wichtig: nicht nur die/der Betriebsleiter:in selbst, sondern auch Familienangehörige oder Mitarbeiter:innen müssen wissen, was im Ernstfall zu tun ist. Hier helfen betriebsindividuelle Havariekonzepte und Notfallpläne. Wichtig ist eine regelmäßige Schulung aller im Stall Beschäftigten. Zu den Notfallplänen und der regelmäßigen Unterweisung gehört auch der Kontakt zur örtlichen Feuerwehr, damit im Einsatzfall entsprechend Ortskenntnisse vorhanden und die Betriebsabläufe zumindest im Groben bekannt sind.

Die Mitglieder der Arbeitsgruppe empfehlen: Wer seinen Betrieb im Hinblick auf den Brandschutz checken möchte, kann dazu die Checkliste zum Brandschutz im landwirtschaftlichen Betrieb für eine Risikoanalyse nutzen, um ggf. erkannte Schwachstellen abzustellen.

Ein Hinweis zum Thema Versicherungsschutz

Kommt es doch zu einem Brand, so ist der Versicherungsschutz wichtig. Schauen Sie am besten jetzt gleich in Ihren Versicherungsvertrag, um sich in Erinnerung zu rufen, was verlangt wird, damit die Versicherung im Schadensfall greift.  

Allgemeine Hinweise – Wer macht was?

Landwirt:innen sind dafür verantwortlich, dass Brandschutzmaßnahmen auf ihrem Betrieb durchgeführt werden.

Je nach Maßnahme können und dürfen sie von den Mitarbeiter:innen des landwirtschaftlichen Betriebes eigenständig durchgeführt werden. Falls nicht, sind externe Fachexpert:innen zu beauftragen.

Landwirt:in

  • Notfallplan für den eigenen Betrieb erstellen und bereitlegen, der u. a. folgende Fragen beantwortet:
    • Wer ist im Brandfall Ansprechpartner?
    • Wo wird was gelagert?

→ Brandschutzkonzept mit (neuen) Mitarbeitern besprechen

  • geeigneten Platz zur Einpferchung der Tiere für die Evakuierung im Brandfall wählen
  • für die Brandfrüherkennung ist das Überwachen und Alarmieren das A und O, denn die Früherkennung ermöglicht ein rechtzeitiges Löschen → Feuerlöscher bereitstellen und Wasserzapfstellen mit fest installierten Schläuchen vorsehen
  • Bereitstellung von Löschwasser in ausreichender Menge und in Nähe zu den Stallungen (Abb. 1)
  • ausreichend Zufahrtswege für die Feuerwehr und Flächen, an denen sich die Feuerwehrgerätschaften und Autos positionieren können; Möglichkeit zum Umfahren der Ställe berücksichtigen → Rettungswege und Zufahrtwege freihalten
  • Bekämpfung von Schadnagern, um Beschädigungen an der Elektrik zu vermeiden, ggf. auch Beauftragung eines Schädlingsbekämpfers möglich
  • Personalschulung
    • Ernstfallproben: mit Mitarbeitern sowie der Feuerwehr; dabei auch den richtigen Umgang mit Tieren in Notsituationen üben
    • Feuerlöschkurse/Löschtraining und Einweisung des Personals (Alarmieren, Löschversuch starten, Tiere retten)

Bauliche Fachperson

  • beim Bau soweit möglich nicht brennbare Materialien wie Beton oder Gipsplatten mit geschlossener Oberfläche (Baustoffklasse A 1 bzw. A 2) oder zumindest schwer entflammbare Materialien wie Kunstharzputze (Baustoffklasse B 1) verwenden
  • Brandschutzwände zur Bildung von Brandabschnitte können die Brandbekämpfung erleichtern → Brandabschnitte sind bei sehr großen Ställen vorgeschrieben (Bauordnungen des eigenen Bundeslandes beachten!)
  • Hohlräume und Unterbrechungen vermeiden: laufen z. B. Futterleitungen oder Lüftungskanäle durch Brandinnenwände, müssen diese speziell abgedichtet werden

Elektriker:in

  • elektrische Installationen und Elektrogeräte (im Idealfall jährlich, spätestens jedoch alle drei Jahre) durch einen Fachmann überprüfen und diese Prüfung bescheinigen lassen – auch PCs müssen geprüft werden
  • mit einem Fachmann abstimmen, ob eine Blitz­schutzanlage am Standort sinn­voll ist
  • Überprüfung und Funktionstest der Sicherungen durchführen lassen, ggf. Tausch alter Sicherungsautomaten

Feuerwehr

  • mit der Feuerwehr im Vorfeld eine Begehung auf dem Betrieb durchführen, damit diese einen Überblick über örtliche Gegebenheiten wie bspw. die Löschwasserbeschaffung und Löschangriffswege erhält
  • ebenfalls hilfreich: detaillierter Lageplan der Gebäude und Zuwegungen mit genauer Bezeichnung der Gebäude